Vorherrschaft der Käfer durch "gekaperte" DNA möglich

Eine Arbeitsgruppe von 24 Wissenschaftlern aus Deutschland, Australien, China und den USA hat die Verwandtschaftsverhältnisse und die Evolution von Käfern anhand des größten bisher untersuchten Käferdatensatzes untersucht und in der renommierten Fachzeitschrift PNAS unter dem Titel „The evolution and genomic basis of beetle diversity“ veröffentlicht.

Unter der Mitarbeit einer größeren Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig – Leibniz Institut für Biodiversität der Tiere in Bonn wurden für die Untersuchungen 4,818 Gene aus 146 Arten bzw. 89 Gene für 521 Arten herangezogen, die alle wesentlichen Entwicklungslinien der Käfer repräsentieren.

Eines ihrer wichtigsten Ergebnisse war, dass viele pflanzenfressende Käferarten in ihr Genom Gene für Pflanzenzellwand-abbauende Enzyme von Pilzen und Bakterien integriert haben.

Diese Fremd-DNA haben Käfer über einen sogenannten horizontalen Gentransfer in ihr eigenes Genom integrieren können, was ihnen eine von Symbionten unabhängige Verdauung von Holz und Blättern ermöglicht.

Symbionten ermöglichen Käfern normalerweise die Verdauung. Die „gekaperte“ Fremd-DNA erlaubt eine effiziente Verdauung ohne Symbionten. Bemerkenswerter Weise geschah dies zweimal voneinander unabhängig. Insgesamt stellen die pflanzenfressenden Käfer mehr als die Hälfte aller existierenden Käfer dar.

Deswegen sind die Autoren überzeugt, dass die zwei Ereignisse der Integration von DNA aus anderen Organismen zu den wichtigsten Faktoren gehören, welche die erfolgreiche Evolution der Käfer ermöglicht haben.

„Pflanzenzellwand-abbauende Enzyme waren die Schlüsselinnovation im Mesozoikum“ sagt Dr. Dirk Ahrens vom Forschungsmuseum Alexander Koenig. „Dies ermöglichte eine effiziente Verdauung verschiedener Pflanzengewebe, wodurch sich grundverschiedene Ernährungsweisen, wie Blattminierung oder Holzbohren herausbilden konnten.“

Die Analysen des Teams konnten außerdem bisher kontrovers diskutierte Verwandtschaftsbeziehungen klären und den Ursprung der Käfer in der Karbonzeit datieren. Die außerordentliche Vielfalt der Käfer resultierte jedoch aus einem Mix mehrerer Faktoren.

Zu diesen gehörte unter anderem eine geringe Aussterberate der Entwicklungslinien über lange evolutive Zeiträume, die gemeinsame Diversifikation mit Blütenpflanzen sowie der Gentransfer von Mikroben-Genen und die darauffolgende explosionsartige Entstehung neuer Arten – eine sogenannte adaptive Radiation – pflanzenfressender Käfer.

Die Ergebnisse der Arbeit zeigen erneut eindrucksvoll die komplexen evolutiven Beziehungen von Insekten, Pflanzen und Mikroben, deren Erforschung gerade im Angesicht aktueller Herausforderungen (Biodiversitätsverlust) von extremer gesellschaftlicher Bedeutung erscheinen.

Quelle: The evolution and genomic basis of beetle diversity. Autoren:
Duane D. McKenna, Seunggwan Shin, Dirk Ahrens, Michael Balke, Cristian Bezaa, Dave J. Clarke, Alexander Donath, Hermes E. Escalona, Frank Friedrich, Harald Letsch, Shanlin Liu, David Maddison, Christoph Mayer, Bernhard Misof, Peyton J. Murin, Oliver Niehuis, Ralph S. Peters, Lars Podsiadlowski, Hans Pohl, Erin D. Scully, Evgeny V. Yan, Xin Zhou, Adam Slipinski and Rolf G. Beutel.

www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1909655116

Ansprechpartner: Dr. Dirk Ahrens

Abteilungsleiter Arthropoda
Sektionsleiter
Kurator
Coleoptera
Tel: +49 228 9122-286
Fax: +49 228 9122-212
Mail: d.ahrens@leibniz-zfmk.de

http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1909655116

Media Contact

Sabine Heine idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.zfmk.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ideen für die Zukunft

TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…

Peptide auf interstellarem Eis

Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…

Wasserstoff-Produktion in der heimischen Garage

Forschungsteam der Frankfurt UAS entwickelt Prototyp für Privathaushalte: Förderzusage vom Land Hessen für 2. Projektphase. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ist nicht frei verfügbar, sondern muss aufwendig hergestellt werden. Das…

Partner & Förderer