Schneeweißchen und Rosenrot: Zwei Margeriten-Gattungen auf unterschiedlichen evolutionären Wegen

Die Gattung Leucanthemum (Europäische Margeriten) baute in den letzten 1,6 Millionen Jahren einen umfangreichen Polyploidkomplex auf. Foto: Dr. Roland Greiner – Zur ausschließlichen Verwendung im Rahmen der Berichterstattung zu dieser Pressemitteilung.

Durch den Vergleich von europäischen und nordafrikanischen Margeriten konnten sie zeigen, dass hohe genetische Divergenz und häufige zwischenartlicher Hybridisierung Polyploidisierung fördern.

Im Falle der europäischen Margeriten führten beide Phänomene zur Entstehung eines Polyploid-Komplexes, der Arten mit 2- bis 22-fachen Chromosomensatz umfasst. Nach Ansicht der Forscher spielten dabei auch geologische Gegebenheiten während des Wechsels von Warm- und Kaltzeiten in den vergangenen 1,6 Millionen Jahren eine wichtige Rolle.

Margeriten der Gattung Leucanthemum sind in ganz Europa verbreitet. Mit ihren gelben Röhren- und weißen Strahlblüten sind sie nicht wegzudenken aus unseren ländlichen Wiesen, städtischen Parks und heimischen Gärten.

Neben den vier in Deutschland vorkommenden Arten gehören noch weitere 38 Arten zu der Pflanzengattung, die man vor allem im südlichen Europa auf der Iberischen, der Apennin- und der Balkanhalbinsel findet.

„Für die Evolutionsforschung spielen Margeriten eine besondere Rolle“, erklärt Prof. Dr. Christoph Oberprieler von der Universität Regensburg. Bereits seit über einem Jahrzehnt beschäftigt er sich zusammen mit seinem Kollegen Dr. Robert Vogt von der Freien Universität Berlin intensiv mit dieser Gattung der Korbblütengewächse und ist dabei vor allem einem Phänomen auf der Spur:

Der Entstehung neuer Arten durch Vervielfachung des Chromosomensatzes. Diese Form der Artbildung, so sind sich beide Forscher einig, spielte in der Evolution der Gattung eine wesentliche Rolle und hat dazu geführt, dass einzelne Europäische Margeriten-Arten zwischen 18 und 198 Chromosomen pro Zellkern enthalten können.

Interessanterweise schlugen die nah verwandten nordafrikanischen Margeriten einen ganz anderen evolutionären Weg ein. Bei diesem Verwandtschaftskreis, der erst vor wenigen Jahren als eigenständige Gattung Rhodanthemum von den europäischen Margeriten abgetrennt wurde, findet man nämlich nur diploide Pflanzen, also durchgängig 18 Chromosomen pro Zellkern.

„Das Fehlen von polyploiden Arten bei den nordafrikanischen Margeriten im Gegensatz zu unseren europäischen Vertretern ist insbesondere darum erstaunlich, da sich beide Pflanzengruppen sowohl in ihrem Alter als auch in ihrer Lebensform und der Anzahl an diploiden Arten ähneln“ erklärt Florian Wagner, der an der Universität Regensburg promoviert und sich in seiner Doktorarbeit intensiv mit beiden Pflanzengattungen beschäftigt. Während zahlreicher Exkursionen nach Südeuropa und Marokko und unter Zuhilfenahme von herbarisierten Pflanzen aus verschiedenen europäischen Herbarien gelang es ihm in den letzten Jahren genügend Pflanzenmaterial zusammenzutragen, um alle diploiden Vertreter beider Gattungen auf mögliche Ursachen für Polyplodisierung hin zu untersuchen.

Zusammen mit drei weiteren Mitgliedern der Forschergruppe um Prof. Christoph Oberprieler und Dr. Robert Vogt, die seit 2017 im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Taxon-Omics“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt werden, konnte der Nachwuchs-Taxonome schließlich mit Hilfe moderner Hochdurchsatz-Sequenzierung wichtige, Polyploidisierung fördernde Faktoren dingfest machen.

Die Ergebnisse der Studie, die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „New Phytologist“ erschienen sind, zeigen, dass die genetische Diversität zwischen diploiden Arten einer Pflanzengruppe einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung neuer Arten durch Vervielfachung des Chromosomensatzes hat.

Dabei gibt es wohl eine Art „Goldlöckchen-Zone“, in der die genetische Divergenz zwischen den Arten weder zu gering noch zu groß ist, damit ein erfolgreiches Verschmelzen zweier Genome zu einer neuen Einheit stattfinden kann. Die Entstehung von polyploiden Genomen setzt zudem voraus, dass diploide Ausgangsarten aufeinandertreffen und erfolgreich hybridisieren.

Beides fand bei den europäischen Margeriten in den vergangenen 1,6 Millionen Jahren wohl immer wieder statt, was vermutlich durch eine, sich durch Klimaschwankungen ständig verändernde Umwelt gefördert wurde.

Florian Wagner, Prof. Dr. Christoph Oberprieler
Professur für Evolution und Systematik der Pflanzen
Universität Regensburg
Tel.: 0941 943-3129
E-Mail: florian.wagner@ur.de, christoph.oberprieler@ur.de

F. Wagner, T. Ott, C. Zimmer, V. Reichhart, R. Vogt, C. Oberprieler. ‘At the crossroads towards polyploidy’: Genomic divergence and extent of homoploid hybridization are drivers for the formation of the ox-eye daisy polyploid complex (Leucanthemum, Compositae-Anthemideae). New Phytologist 2019.
DOI: 10.1111/nph.15784
Im Internet unter: https://nph.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/nph.15784

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Christina Glaser idw - Informationsdienst Wissenschaft

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