Neue Methode: Karbonat statt Kohlendioxid

Detail aus dem Experiment: Aus dem Substrat steigen Wasserstoffbläschen auf, am Boden des Gefäßes sammeln sich kleine Karbonatkristalle.
© Nano-Institut / LMU

LMU-Nanowissenschaftler haben eine Technik entwickelt, kohlenstoffhaltige in kohlenstofffreie Brennstoffe umzuwandeln, ohne CO2 frei werden zu lassen.

Die Natur kennt mehrere Wege, wie das Molekül Kohlenstoffdioxid (CO2) gebunden werden kann. Der bekannteste ist die Photosynthese. Dabei wird Sonnenlicht benutzt, um CO2 in Biomasse umzuwandeln. Forschungsgruppen weltweit bemühen sich, diesen Prozess nachzuahmen und eine sogenannte künstliche Photosynthese zu realisieren. Ziel ist hierbei, CO2 mit Hilfe von Licht effizient in synthetische Brennstoffe zu transformieren. Die Natur kennt aber auch andere Strategien, um Kohlenstoffdioxid zu binden, so findet sich CO2 in den Ozeanen dieser Welt als Karbonat (CO32-) gelöst. Zum Beispiel können Schalentiere wie Muscheln das gelöste Karbonat nutzen und daraus feste Strukturen zu ihrem eigenen Schutz formen, die auf Kalziumkarbonat (CaCO3) basieren. Diese finden sich dann letztendlich in Felsgesteinen rund um den Globus wieder.

Inspiriert durch das Vorbild der Schalentiere haben LMU-Wissenschaftler am Nano-Institut München eine Technik entwickelt, kohlenstoffhaltige Brennstoffe in kohlenstofffreie Brennstoffe umzuwandeln, ohne dabei CO2 frei werden zu lassen. Kohlenstoff wird dabei als Karbonat gebunden. Die Nanophysiker verwendeten als Ausgangsprodukt sogenanntes alkalines Methanol und entwickelten ein System, welches unter Lichteinstrahlung daraus effizient Wasserstoff als Gas und Karbonat in Form kleiner Steinchen produzierte. Um bei dieser Umwandlung das einfallende Licht und die in atomarer Form vorliegenden Katalysatoren maximal nutzen zu können, entwickelten sie ein aus mehreren Kunststofflagen bestehendes Substrat. Darin entstand deutlich mehr Wasserstoff als bei bislang verwendeten Techniken, die thermische Energie einsetzen.

Den Großteil der Experimente machte dabei Dr. Yiou Wang, der derzeit als Stipendiat der Alexander-von-Humboldt Stiftung bei Prof. Jochen Feldmann am Lehrstuhl für Photonik und Optoelektronik tätig ist. Er schildet „zwei Momente großer Begeisterung“: „Zunächst sah ich die vielen Wasserstoffbläschen von den katalytisch belegten Polymerlagen aufsteigen und dann bemerkte ich, wie kleine Karbonatkristalle aus der Lösung ausfielen.“ Dr. Jacek Stolarczyk, ein Experte für künstliche Photosynthese, fügt hinzu: „Licht ist ein exzellentes Werkzeug, um Reaktionen zur Energieumwandlung zu triggern, das ist viel praktischer, als hohe Temperaturen und hohe Drücke einzusetzen.“

Eine mögliche Anwendung besteht darin, Wasserstoff aus einfachen Alkoholen quasi „vor Ort“ herstellen zu können. Hiermit würde man Risiken vermeiden, die beim Speichern und Transport von Wasserstoff entstehen, etwa wenn man Brennstoffzellen in Fahrzeugen verwendet. Solch ein kohlenstoffneutraler und durch Licht ausgelöster Prozess kann Wasserstoff sicher und effizient generieren, ist potenziell hochskalierbar und daher vielversprechend für breit gefächerte Anwendungen. Prof. Jochen Feldmann bemerkt: „Die Vermeidung von CO2-Emissionen durch eine Bindung des Kohlenstoffs in Karbonaten könnte sich zu einem neuartigen Konzept bei der Verwendung kohlenstoffhaltiger Brennstoffe entwickeln.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Yiou Wang, Dr. Jacek Stolarczyk, Prof. Dr. Jochen Feldmann
Lehrstuhl für Photonik und Optoelektronik, Nano-Institut München, Fakultät für Physik, LMU München
www.phog.physik.uni-muenchen.de
Email:
yiou.wang@physik.uni-muenchen.de
jacek.stolarczyk@physik.uni-muenchen.de
feldmann@lmu.de

Originalpublikation:

Yiou Wang, E.-P. Yao, L. Wu, Jochen Feldmann, Jacek Stolarczyk. A Multi-layer Device for Light-triggered Hydrogen Production from Alkaline Methanol. Angewandte Chemie Int. Ed. 2021.

Weitere Informationen:

https://www.lmu.de/de/newsroom/newsuebersicht/news/karbonat-statt-kohlendioxid.h…

Media Contact

LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer