Listig und lästig – Listerien werden häufig resistent gegen Desinfektionsmittel

Listerien (hier grün gefärbt) können Gene anderer Bakterien aufnehmen und so Resistenzen erwerben. <br>Bild: Monika Dzieciol / Vetmeduni Vienna <br>

Die sogenannten Listerien kommen häufig in Produktionsstätten für Käse und Milchprodukte vor. Eine Infektion kann gerade schwache und ältere Menschen gefährden. Forscher der Vetmeduni Vienna haben nun herausgefunden, warum Listerien gegenüber herkömmlichen Desinfektionsmitteln resistent werden.

Sie besitzen einen sprunghaften genetischen Mechanismus der ihnen rasche Anpassung an äußere Umstände erlaubt. Die Forscher veröffentlichten ihre Daten im Online Journal Plos One.

Das Bakterium Listeria monocytogenes findet sich häufig in Produktionsstätten für Fleisch- und Milchprodukte und muss rigoros mit Desinfektionsmitteln bekämpft werden. Leider entwickeln diese Bakterien immer häufiger Resistenzen gegen Reinigungsmittel. Es wird also immer schwieriger, Listerien mit den gebräuchlichen Mitteln in Schach zu halten. Eine Listerieninfektion beim Menschen kann zwar mit Antibiotika bekämpft werden, ist aber mit Fiebersymptomen, Muskelschmerzen und Durchfall sehr unangenehm.

Für immunschwache Personen, wie beispielsweise ältere Menschen oder Schwangere, kann eine Infektion gar lebensbedrohlich werden. In den vergangenen Jahren kam es auch in Österreich immer wieder zu Listerienausbrüchen in milchverarbeitenden Betrieben, die auch Todesfälle zur Folge hatten.

Genetik macht Listerien resistent gegen Desinfektionsmittel

Die Forschungsgruppe um Stephan Schmitz-Esser vom Institut für Milchhygiene an der Veterinärmedizinischen Universität Wien beschäftigt sich schon seit Langem mit der Hygieneproblematik in milchproduzierenden Betrieben. Die Forscher fanden nun heraus, warum Listerien immer häufiger gegen Desinfektionsmittel resistent werden. Schmitz-Esser und Kollegen des University Collage Cork in Irland untersuchten das gesamte Erbgut von Listerien und fanden eine für das Bakterium bisher relativ neue Region auf der DNA, ein sogenanntes Transposon (Tn6188). Transposons sind „springende Gene“, also Elemente auf der DNA, die ihren Ort wechseln können und so das Erbgut der Bakterien insgesamt flexibler und anpassungsfähiger machen.

Die Forscher entdeckten dieses Transposon vorerst in zwei Listerien-Stämmen. Um herauszufinden, ob das Gen häufiger vorkommt, untersuchten sie zusätzlich 90 Stämme und fanden weitere zehn, die auch dieses Transposon enthielten. Als die Hygieneforscher die Bakterien mit einem häufig verwendeten Desinfektionsmittel, dem Benzalkoniumchlorid (BC), behandelten, stellten sie folgendes fest: Listerien, die das Transposon enthalten, waren wesentlich toleranter gegenüber dem Mittel. Sie überlebten die Desinfektion also eher, als Bakterien ohne Tn6188.

Listerien übernehmen Resistenzen anderer Bakterien

Die Resistent wird über ein Protein ermöglicht. Tn6188 bildet ein Protein, das so genannte QacH Protein. Dieses Protein macht das Bakterium tolerant gegen das Desinfektionsmittel. Als die Forscher dieses Protein in den Listerien ausschalteten, wurden die Bakterien auch wieder empfindlich gegenüber dem Mittel. Das Desinfektionsmittel scheint also das Protein QacH zu aktivieren. „Unsere Arbeit ist bis jetzt ein indirekter Nachweis dafür, dass dieses Transposon für die Resistenz in Listerien verantwortlich ist“, erklärt Schmitz-Esser. „Wir zeigen damit auf, dass Listerien genetisches Material von anderen Bakterien aufnehmen und so Resistenzen erwerben können. Wir müssen also bei der Hygiene in Betrieben noch mehr darauf achten, dass auch andere Bakterien keine Resistenzen bilden, die sie dann wiederum an die Listerien weitergeben können.“

Der Artikel „Tn6188 – A Novel Transposon in Listeria monocytogenes Responsible for Tolerance to Benzalkonium Chloride”, von Anneliese Müller, Kathrin Rychli, Meryem Muhterem-Uyar, Andreas Zaiser, Beatrix Stessl, Caitriona M. Guinane, Paul D. Cotter, Martin Wagner und Stephan Schmitz-Esser wurde im Journal Plos One veröffentlicht. doi:10.1371/journal.pone.0076835

http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0076835

Über die Veterinärmedizinische Universität Wien

Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist die einzige universitäre veterinärmedizinische Bildungs- und Forschungsstätte Österreichs und zugleich die älteste im deutschsprachigen Raum. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1200 Mitarbeiter und bildet zurzeit 2300 Studierende aus. Der Campus liegt im Norden von Wien und beherbergt ein Tierspital und zahlreiche Spin-Off Unternehmen. http://www.vetmeduni.ac.at

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr.rer.nat. Stephan Schmitz-Esser
Institut für Milchhygiene
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
T +43 1 20577 3510
stephan.schmitz-esser@vetmeduni.ac.at
Aussenderin:
Dr.rer.nat. Susanna Kautschitsch
Wissenschaftskommunikation / Public Relations
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
T +43 1 25077-1153
susanna.kautschitsch@vetmeduni.ac.at

Media Contact

Dr. Susanna Kautschitsch idw

Weitere Informationen:

http://www.vetmeduni.ac.at

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Physiker Professor Simon Stellmer von der Universität Bonn beim Justieren eines Lasers, der für Präzisionsmessungen eingesetzt wird.

Simon Stellmers GyroRevolutionPlus erhält ERC-Zuschuss von 150 000 € für Katastrophenwarnungen

Europäischer Forschungsrat fördert Innovation aus der Physik an der Uni Bonn „Mit GyroRevolutionPlus verbessern wir die Messgenauigkeit von Ringlaserkreiseln, sogenannten Gyroskopen, mit denen wir langsame und tiefliegende Erdrotationen oder auch…

Unterschiedlich regulierte kleine RNAs aus Blut oder Haut sind mögliche Biomarker, die in Zukunft helfen könnten, Fibromyalgie schneller und besser zu diagnostizieren und damit unter anderem die Stigmatisierung abzubauen.

Objektive Diagnose von Fibromyalgie: Neue Innovationen Erklärt

Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und Dr. Christoph Erbacher von der Neurologischen Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Fibromyalgie-Syndrom (FMS) in der Fachzeitschrift Pain veröffentlicht. Sie fanden…

Links: EHT-Bilder von M87* aus den Beobachtungskampagnen 2018 und 2017. Mitte: Beispielbilder aus einer generalrelativistischen magnetohydrodynamischen (GRMHD) Simulation zu zwei verschiedenen Zeiten. Rechts: Dieselben Simulations-Schnappschüsse, unscharf gemacht, um der Beobachtungsauflösung des EHT zu entsprechen.

Die neueste M87-Studie des EHT bestätigt die Drehrichtung des Schwarzen Lochs

Erster Schritt auf dem Weg zu einem Video vom Schwarzen Loch FRANKFURT. Sechs Jahre nach der historischen Veröffentlichung des ersten Bildes eines Schwarzen Lochs stellt die Event Horizon Telescope (EHT)…