Kleine Gene, große Gehirne

Mausembryo: Die Großhirnrinde ist mit einem rot leuchtenden Protein markiert.

Eine Frage lässt Wieland Huttner keine Ruhe: Warum hat der Mensch, und warum haben viele Primaten ein so großes Gehirn?

Unlängst erst hat seine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) wieder eine wichtige Entdeckung in diese Richtung gemacht und erklärt, warum sich Jodmangel während der Schwangerschaft negativ auf die Gehirnentwicklung auswirken kann.

Nun haben die Forscher einen weiteren Faktor identifiziert, der die Größe dieses wichtigen Organs mitsteuert: Das Gen Tis21. Sein kodierender Bereich ist sehr klein, aber es hat einen sehr langen Abschnitt, der nicht kodierend ist. Funktioniert dieses Gen nicht richtig, wirkt sich das in einer Fehlentwicklung des Gehirns mit deutlich geringerer Größe aus, Mikrozephalie genannt. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Cell Reports veröffentlicht.

Im Normalfall teilt sich während der Gehirnentwicklung eine Nerven-Stammzelle wiederholt asymmetrisch, nämlich in eine Vorläuferzelle und eine Stammzelle, die sich somit erneuert. Dieser Kreislauf ist Vorbedingung für die viele Zellmasse, die für ein großes Gehirn nötig ist.

Die Funktion des langen, nicht kodierenden Abschnitts des Gens Tis21 war bisher nicht geklärt. Dieser Abschnitt ist aber hochkonserviert, im Laufe der Evolution in verschiedensten Entwicklungsstufen also kaum verändert worden, was auf eine sehr wichtige Funktion hinweist.

Diese hat Ji-Feng Fei, Doktorand im Team von Huttner, an Mäusen ausgetestet: Fehlt dem Gen Tis21 dieser lange Abschnitt, wird die Konzentration des kodierten Eiweißes hochgefahren – mit katastrophalen Folgen, denn dadurch teilen sich Nerven-Stammzellen nun letztmalig symmetrisch, nämlich in zwei Vorläuferzellen.

Eine Erneuerung der Stammzelle ist damit ausgeschlossen, die Anzahl an Zellen wird demnach reduziert. Das Ergebnis ist ein deutlich kleineres Gehirn. 

Originalveröffentlichung
Ji-Feng Fei, Christiane Haffner und Wieland B. Huttner:
3’-UTR–dependent, miR-92–mediated restriction of Tis21 expression maintains asymmetric neural stem cell division to ensure proper neocortex development and size
Cell Reports, 10. April 2014, doi: 10.1016/j.celrep.2014.03.033

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Florian Frisch Max-Planck-Institute

Weitere Informationen:

http://www.mpi-cbg.de

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