Genom des Schwarzen Todes vollständig rekonstruiert

Ein internationales Forscherteam – angeführt von Wissenschaftlern der Universität Tübingen und der McMaster University in Kanada – hat das Genom des Erregers des Schwarzen Todes entschlüsselt, einer der verheerendsten Epidemien der Menschheitsgeschichte.

Es gelang den Forschern erstmalig das komplette Genom eines historischen Krankheitserregers zu rekonstruieren. Dadurch kann man nun Veränderungen in der Evolution und der Virulenz des Pathogens zurückverfolgen. Die Studie – die in dieser Woche im Wissenschaftsjournal Nature online publiziert wird – könnte zu einem besseren Verständnis der Evolution moderner Infektionskrankheiten führen.

Die Genetiker Johannes Krause und Verena Schünemann von der Universität Tübingen kooperierten in diesem Projekt mit Hendrik Poinar, Kirsten Bos und Brian Golding von der McMaster University, Kanada, sowie Hernán A. Burbano und Matthias Meyer vom Max Planck Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Sharon DeWitte von der University of South Carolina, USA.

In einer weiteren kürzlich publizierten Studie beschrieb das Team einen neuen methodischen Ansatz, winzige DNA-Fragmente des Krankheitserregers der Pest aus mittelalterlichen Skeletten anzureichern. Sie konnten damit bestätigen, dass Yersinia pestis-Bakterien für den Schwarzen Tod verantwortlich waren. Bei dieser Epidemie kam im Mittelalter in nur fünf Jahren, zwischen 1347 und 1351, die Hälfte aller Europäer ums Leben.

„Um zu verstehen warum die mittelalterliche Pest so katastrophale Auswirkungen hatte, entschlüsselten wir nun das gesamte Erbgut des mittelalterlichen Pesterregers mit Hilfe neuester DNA-Sequenziermethoden“, erklärt Johannes Krause, Juniorprofessor an der Universität Tübingen und Spezialist für Paläogenetik.

„Die genetischen Informationen zeigen uns, dass der mittelalterliche Peststamm der Vorläufer aller heute noch vorkommenden Pestbakterien ist. Jeder heutige Pestausbruch auf der Erde geht auf einen direkten Nachfahren der mittelalterlichen Pest zurück“, fügt Hendrik Poinar hinzu, einer der Hauptautoren dieser Studie. „Mit einem besseren Verständnis und direkten Blick in die Evolution dieses tödlichen Krankheitserregers betreten wir eine neue Ära der Erforschung von Infektionskrankheiten.“ Die direkten Nachfahren der mittelalterlichen Beulenpest existieren bis heute und töten in etwa 2000 Menschen jährlich.

Für die Studie wurden menschliche Überreste von Pestopfern untersucht, die auf dem Londoner Pestfriedhof 'East Smithfield' bestattet wurden. Dafür wurden Proben aus den Zähnen von fünf Skeletten verwendet, die bereits positiv auf die Anwesenheit von Y. pestis getestet worden waren. Die Pathogen DNA wurde mit einer Methode des „molekularen Angelns“ spezifisch angereichert, um so den Hintergrund aus menschlicher DNA und der von Pilzen und anderer Bakterien zu verringern.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich in 660 Jahren Evolution relativ wenige Veränderungen im Genom des Pesterregers ereignet haben. Ob diese Veränderungen zu der beobachteten höheren Virulenz der historischen Pest im Vergleich zu modernen Pesterregern führten, bleibt jedoch ungeklärt. „Im nächsten Schritt wollen wir herausfinden, warum die mittelalterliche Pest so tödlich war“, sagt Poinar.

Wichtige technische Fortschritte in der DNA-Anreicherung und -Sequenzierung haben die Bandbreite der Methoden zur genetischen Analyse historischer Proben dramatisch erweitert und eröffnen neue Horizonte im Verständnis für das Entstehen und Wiederauftauchen von Krankheiten.

Der historische Kontext der in der Studie untersuchten menschlichen Überreste mit einer genauen Datierung auf das Jahr 1349 erlaubte es den Forschern, das maximale Alter des gemeinsamen Vorfahren aller Pesterreger zu bestimmen. Den Ursprung der Pest sehen die Forscher in Ostasien im 13. oder 14. Jahrhundert. Die Forscher vermuten, dass frühere Pestausbrüche wie die Justinianische Pest, die im 6. Jahrhundert mehr als 100 Millionen Menschen weltweit tötete, wahrscheinlich von einem anderen, bisher nicht identifiziertem Pathogen verursacht wurden.

„Mit unserer neuen Methodik sollte es möglich sein, die Erbinformation der Krankheitserreger unterschiedlicher historischer Epidemien zu untersuchen“, sagt Krause. „So können wir einen Einblick in die Evolution von menschlichen Pathogenen und deren Einfluss auf historische Ereignisse bekommen. Gleichzeitig zeigen uns die Ergebnisse zur mittelalterlichen Pest, welch katastrophale Auswirkungen ein Pathogen haben kann, wenn es erstmalig beim Menschen in Erscheinung tritt.“

Die Forschungen wurden durch die Carl-Zeiss-Stiftung und die Abteilung Medizinische Genetik der Universität Tübingen sowie das Canadian Institute for Health Research, den Social Sciences and Humanities Research Council und Canada Research Chairs, das Michael G. DeGroote Institute of Infectious Disease Research und die Wenner Gren Foundation finanziert.

Publikation: doi:10.1038/nature10549

Kontakt:
Johannes Krause
Universität Tübingen
Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie
Rümelinstr. 23 • 72070 Tübingen
Telefon: +49 7071 29-74089
Johannes.krause@uni-tuebingen.de
Hendrik Poinar
McMaster University
Hamilton, Canada
Telefon +1 905 525-9140
poinarh@mcmaster.ca

Media Contact

Michael Seifert idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-tuebingen.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

KI-basierte Software in der Mammographie

Eine neue Software unterstützt Medizinerinnen und Mediziner, Brustkrebs im frühen Stadium zu entdecken. // Die KI-basierte Mammographie steht allen Patientinnen zur Verfügung und erhöht ihre Überlebenschance. Am Universitätsklinikum Carl Gustav…

Mit integriertem Licht zu den Computern der Zukunft

Während Computerchips Jahr für Jahr kleiner und schneller werden, bleibt bisher eine Herausforderung ungelöst: Das Zusammenbringen von Elektronik und Photonik auf einem einzigen Chip. Zwar gibt es Bauteile wie MikroLEDs…

Antibiotika: Gleicher Angriffspunkt – unterschiedliche Wirkung

Neue antimikrobielle Strategien sind dringend erforderlich, um Krankheitserreger einzudämmen. Das gilt insbesondere für Gram-negative Bakterien, die durch eine dicke zweite Membran vor dem Angriff von Antibiotika geschützt sind. Mikrobiologinnen und…

Partner & Förderer