Geheimnis des langen Lebens

Die Termitenart lebt in der westafrikanischen Savanne und baut mehrere Meter hohe Hügel. Foto: Judith Korb

Eigentlich gilt in der Tierwelt: Wer sich viel fortpflanzt, lebt nur kurz – wer weniger fruchtbar ist, wird dafür älter. Doch soziale, also Staaten bildende Insekten scheinen diesem Schicksal zu entkommen. Wie ihnen das gelingt, zeigt ein Forschungsteam vom Institut für Zoologie der Universität Freiburg am Beispiel der Termitenart Macrotermes bellicosus.

„Macrotermes-Königinnen sind wohl die terrestrischen Tiere mit dem höchsten Fortpflanzungserfolg“, sagt die Freiburger Biologin Prof. Dr. Judith Korb. Ununterbrochen legt die Termitenkönigin Eier, etwa 20.000 sind es täglich. Trotzdem wird sie bis zu 20 Jahre alt.

Arbeiter dieser Art verfügen über das gleiche Erbgut wie die Königin, sind aber unfruchtbar und leben trotzdem nur für wenige Monate. Judith Korb hat gemeinsam mit ihrem Doktoranden Daniel Elsner und Dr. Karen Meusemann einen Hinweis darauf gefunden, warum Königin und König – anders als die Arbeiter – praktisch nicht altern. Das Team hat seine Ergebnisse im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht.

Superorganismus in Symbiose

Schon in ihrer Doktorarbeit hat sich Korb mit Macrotermes bellicosus befasst. Die Termitenart lebt in der westafrikanischen Savanne und baut mehrere Meter hohe Hügel. Ihr Staat ist arbeitsteilig organisiert, wofür die Forschung das Konzept des Superorganismus etabliert hat: Königin und König sind für die Fortpflanzung zuständig, Soldaten verteidigen die Kolonie, Arbeiter bauen am Hügel und schaffen Gras und Blätter heran.

Damit füttern sie einen Pilz, den sie in eigens dafür angelegten Gärten züchten. Er schließt komplexe pflanzliche Verbindungen auf und reichert dabei Stickstoff an. Dieser wiederum ist für die Termiten ein wichtiger Nährstoff, der das Wachstum der Kolonie begrenzt, wenn er nicht in ausreichender Menge vorhanden ist. Da der Pilz extrem empfindlich ist, muss die Temperatur im Hügelinneren stets um die 30 Grad Celsius betragen.

Um nun dem Geheimnis des langen Lebens auf die Spur zu kommen, hat das Freiburger Team zunächst verglichen, welche genetischen Informationen bei jungen und alten Tieren abgelesen und für die Zellen nutzbar gemacht werden – getrennt nach Königinnen, Königen und Arbeitern. „Das Ergebnis hat uns sehr überrascht“, berichtet Korb.

„Bei Königinnen und Königen haben wir kaum Unterschiede zwischen alten und jungen Individuen gefunden, bei den Arbeitern dagegen riesengroße.“ Daniel Elsner ergänzt: „Die Handvoll unterschiedlich regulierter Gene in Königinnen und Königen konnten nicht mit Altern in Verbindung gebracht werden, obwohl sich die Insekten um fünf Jahre im Lebensalter unterschieden. Dagegen waren in den nur Monate älteren Arbeitern Tausende Gene anders reguliert als in den jungen.“

Bei ihnen waren, anders als bei den Königinnen und Königen, in alten Tieren viele so genannte transposable Elemente aktiv. Diese werden auch als „springende Gene“ bezeichnet: Sie vervielfältigen sich unabhängig vom Restgenom, bauen sich an anderen Stellen im Erbgut ein und können dadurch Defekte hervorrufen, zum Beispiel andere Gene stilllegen. „Es ist bereits von anderen Modellorganismen bekannt, dass springende Gene etwas mit dem Altern zu tun haben können“, sagt Korb. „Die Frage lautet aber: Warum bleiben sie in Königinnen und Königen inaktiv?“

Springende Gene stilllegen

Die Ergebnisse des Teams deuten darauf hin, dass das Superorganismus-Konzept eine Erklärung bietet. Im Organismus eines einzelnen Lebewesens hat die Keimbahn die Fortpflanzungsfunktion inne. Dort würden springende Gene besonders großen Schaden anrichten: Sie könnten dafür sorgen, dass Nachkommen nicht lebensfähig sind. Also gibt es in den Zellen der Keimbahn einen Signalweg, der springende Gene stilllegt.

„Wir haben herausgefunden, dass dieser so genannte piRNA-Signalweg in den alten Arbeitern von Macrotermes bellicosus herunterreguliert ist, in der Königin und im König aber nicht“, sagt Korb. Die Analogie scheint stimmig: Königin und König übernehmen im Superorganismus die Funktion der Keimbahn, die möglichst keine Gendefekte aufweisen sollte.

Die Arbeiter dagegen entsprechen sonstigen Körperzellen, die ersetzbar sind und deshalb altern „dürfen“. Denn es wäre vermutlich energetisch zu aufwendig, den piRNA-Signalweg in allen Zellen eines Organismus – oder in allen Individuen einer Kolonie – dauerhaft aufrechtzuerhalten.

Im nächsten Schritt will das Team mithilfe von Experimenten herausfinden, ob der gefundene Zusammenhang ursächlich ist. „Wir werden bei Königinnen im Labor den piRNA-Signalweg herunterregulieren und erwarten, dass sie dann ebenfalls altern“, erklärt Korb. Zudem wollen die Forscherinnen und Forscher Termitenarten betrachten, die in weniger komplexen Staaten leben – und damit eine ihrer zentralen Thesen überprüfen: „Je sozialer eine Art und, damit verbunden, je stärker ihre arbeitsteilige Organisation ist, desto besser gelingt es ihr, dem negativen Zusammenhang von Fruchtbarkeit und Lebenserwartung zu entrinnen.“

Veröffentlichung
Daniel Elsner/Karen Meusemann/Judith Korb (2018): Longevity and transposon defense, the case of termite reproductives. In: PNAS. http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1804046115

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