Forscher entschlüsseln Mutationen in Nebennierentumoren, die zu Cushing-Syndrom führen

Auswirkung der PKA-Mutationen. Der „katalytischen“ Untereinheit (C) wird die Bindung der "regulatorischen" (R) und somit deren Kontrolle über die "katalytische" Untereinheit gehemmt. Grafik: Davide Calebiro

Cortisol ist ein Hormon aus der Nebenniere. Es gilt als Stresshormon und erfüllt beim Menschen viele lebenswichtige Funktionen. „Cortisol nimmt im Stoffwechsel sehr wichtige Funktionen ein“, sagt Hormonforscher Davide Calebiro. Zu viel Cortisol – durch eine krankhaft gesteigerte Ausschüttung – kann jedoch unter anderem zu Diabetes, Bluthochdruck und Osteoporose führen.

Diese Auswirkungen fassen Mediziner unter dem nach Erstbeschreiber Harvey Williams Cushing benannten Begriff „Cushing-Syndrom“ zusammen. Die Patienten nehmen zudem an Gewicht zu und entwickeln häufig auch eine Depression. Ohne Behandlung ist die Sterblichkeit deutlich erhöht. Die Ursache der Störung sind meist Tumoren in der Steuerungszentrale, der Hirnanhangsdrüse, oder der Nebenniere.

Mutation erst seit Kurzem als Ursache bekannt

Bei über einem Drittel der betroffenen Patienten mit Nebennierentumoren liegt eine Mutation im Gen für die Proteinkinase A vor, einem Schlüsselenzym für die Steuerung der Hormonproduktion der Nebennieren. „Aber der genaue Mechanismus, der zu dieser gesteigerten enzymatischen Aktivität geführt hat, war uns noch nicht klar“, sagt Calebiro.

Auch die Rolle der Mutation an sich wurde erst vor kurzem identifiziert, ebenfalls durch eine Forschergruppe mit Würzburger Beteiligung: Martin Fassnacht und Bruno Allolio von der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des Würzburger Universitätsklinikums waren hier federführend.

Der aktivierende Teil des Enzymkomplexes ist von Mutation betroffen

Calebiro, Fassnacht und Kollegen gelang es nun, diese Mutation zu entschlüsseln. „Bei ersten strukturbiologischen Untersuchungen deutete sich schnell an, dass die Mutation hauptsächlich einen wichtigen Teil der 'katalytischen', also der aktivierenden Untereinheit des Enzymkomplexes, betrifft“, sagt Calebiro, dessen Arbeit nun im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht wurde.

Im Detail sieht es so aus, dass die Mutation bei der Bildung des Komplexes eingreift. „Man kann es sich so vorstellen, dass es sich hier um eine Verbindung von Schlüssel und Schloss handelt. Verändert man eines von beiden, funktioniert der Mechanismus nicht mehr“, erklärt Calebiro.

Es kann kein ausgeglichenes Gebilde entstehen, da die „regulatorische“ nicht mehr die „katalytische“ Untereinheit binden und hemmen kann. Die Steuerung des Komplexes durch das Signalmolekül cAMP ist somit unmöglich. Die aktivierende Untereinheit übernimmt das Kommando und es wird ungehemmt Cortisol ausgeschüttet.

Mögliche Ansätze für die Behandlung des Cushing-Syndroms

Calebiro und Kollegen erhoffen sich durch das bessere Verständnis der genetischen und molekularen Prozesse neue Ansätze in der Behandlung von Cushing-Syndrom-Patienten. „Dieses Wissen eröffnet uns eine Vielzahl von Ansatzpunkten, an denen wir möglicherweise eingreifen können“, sagt Calebiro, dessen Zusammenarbeit mit Martin Fassnacht durch das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) der Universität Würzburg gefördert wird.

Beispielsweise könne man Moleküle kreieren, die direkt an der mutierten „katalytischen“ Untereinheit der Proteinkinase A andocken und sie so hemmen. Weiterhin gelte es jedoch genauer herauszuarbeiten, welche Rolle die Mutationen auch bei anderen Krankheiten spielen.

„PKA catalytic subunit mutations in adrenocortical Cushing’s adenoma impair association with the regulatory subunit“ by Davide Calebiro, Annette Hannawacker, Sandra Lyga, Kerstin Bathon, Ulrike Zabel, Cristina Ronchi, Felix Beuschlein, Martin Reincke, Kristina Lorenz, Bruno Allolio, Caroline Kisker, Martin Fassnacht & Martin J. Lohse. DOI: 10.1038/ncomms6680 in Nature Communications, www.nature.com/naturecommunications

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de  Website der Uni Würzburg

Media Contact

Marco Bosch idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neuartiges Material für nachhaltiges Bauen

Innovativer Werkstoff für eine energieeffiziente Architektur: Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) stellen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications ein polymerbasiertes Material mit besonderen Eigenschaften vor. Das…

Neues Antibiotikum gegen Erreger der Flussblindheit und Lymphatischen Filariose

Prof. Achim Hoerauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Universitätsklinikums Bonn (UKB), und seinem Team ist es in Kollaboration mit der Abteilung Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie…

Evolutionäre Genomik: Folgen biodiverser Fortpflanzungssysteme

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Einrichtung eines neuen Graduiertenkollegs (GRK) in der Biologie an der Universität Göttingen. Das GRK mit dem Titel „Evolutionary Genomics: Consequences of Biodiverse Reproductive Systems…

Partner & Förderer