Demenzerkrankungen – Defekte zelluläre Müllabfuhr erhöht das Risiko

Demenzerkrankungen nehmen in unserer alternden Gesellschaft stetig zu und stellen schon jetzt das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Christian Haass und Gernot Kleinberger, Adolf-Butenandt-Institut der LMU und Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), hat nun einen Mechanismus gefunden, der das Risiko für den Ausbruch verschiedener Demenzerkrankungen erhöht.

Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer-, Parkinson oder Frontotemporale Demenz haben gemeinsam, dass es im Gehirn der Patienten zu einer vermehrten Ablagerung von Eiweißbestandteilen und zu massivem Zelltod kommt.

Sterbende Zellen sowie abgelagerte Abfallprodukte müssen von Fresszellen effizient entsorgt werden um weitere Schäden an den Nervenzellen zu vermeiden. Diese Fresszellen – sogenannte Mikroglia – spielen somit als „Gesundheitspolizei“ des Gehirns eine wichtige Rolle. Sie kommen nur im zentralen Nervensystem vor und sind ein Teil des zellulären Immunsystems.

Wie das Team um Haass nun in dem Journal „Science Translational Medicine“ berichtet, führen Erbveränderungen zu einem Defekt in dem Protein TREM2, das in Mikroglia die Aufnahme von Abfallprodukten steuert. TREM2 reicht als Transmembranprotein durch die Wand der Nervenzelle hindurch und besitzt eine extrazelluläre Domäne, die für die Identifikation von Abfallprodukten wichtig ist.

„Wir vermuten, dass der Defekt dazu führt, dass das Protein bei seiner Produktion in der Zelle falsch gefaltet wird und nicht mehr an die Oberfläche der Mikroglia gelangt“, sagt Kleinberger, „dadurch wird die Abfallmenge, die die Mikroglia bewältigen kann, deutlich vermindert“. Dies hat zur Folge, dass sich Eiweißablagerungen, aber auch tote Zellen, im Gehirn ansammeln und nicht mehr abgebaut werden können.

Mit ihrer neuen Studie konnten die Wissenschaftler damit erstmals einen Mechanismus identifizieren, der mehrere verschiedene Gehirnerkrankungen beeinflussen kann. „Darüberhinaus eröffnen unsere Entdeckungen vielleicht auch einen Weg, wie man den Krankheitsverlauf auch noch nach Ausbruch der Demenz verzögern könnte, was sich bisher als unmöglich erwies“, sagt Haass, „erste Hinweise dazu liefert ein Ansatz, bei dem es uns mithilfe bestimmter Wirkstoffe gelang, den Fressmechanismus der Mikroglia zu stimulieren“.
(Science Translational Medicine 2014) göd

Publikation:
TREM2 mutations linked to neurodegeneration impair cell surface transport and phagocytosis
G. Kleinberger, Y. Yamanishi, M. Suárez-Calvet, E. Czirr, E. Lohmann, E. Cuyvers, H. Struyfs, N. Pettkus, A. Wenninger-Weinzierl, F. Mazaheri, S. Tahirovic, A. Lleó, D. Alcolea, J. Fortea, M. Willem, S. Lammich, J. L. Molinuevo, R. Sanchez-Valle, A. Antonell, A. Ramirez, M. Heneka, K. Sleegers, J. van der Zee, J.-J. Martin, S. Engelborghs, A. Demirtas-Tatlidede, H. Zetterberg, C. Van Broeckhoven, H. Gurvit, T. Wyss-Coray, J. Hardy, M. Colonna & C. Haass
Science Translational Medicine 2014
http://stm.sciencemag.org/content/6/243/243ra86

Kontakt:
Prof. Dr. Dr. h.c. Christian Haass und Dr. Gernot Kleinberger
Adolf Butenandt-Institut, Ludwig-Maximilians Universität München
& Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. – München
Tel: (+49-89)-2180 75 – 471 (C.H.), -472 (Secretariat)
E-Mail: christian.haass@dzne.lmu.de
http://www.biochemie.abi.med.uni-muenchen.de/about/staff/professors/haass/index….

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Luise Dirscherl idw - Informationsdienst Wissenschaft

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