Beschädigte Kakaobohnen für Kosmetikprodukte

Neue Verwertungswege sollen beschädigte Kakaofrüchte für die Herstellung von Kosmetika, aber auch für Schmierstoffe und Reinigungsmittel nutzbar machen.
© Fraunhofer IVV

Kakao ist ein wichtiger Bestandteil der brasilianischen Landwirtschaft. Die Kakaofrucht ist jedoch anfällig für Pilzkrankheiten. Erst in den 1990er Jahren ließ eine Pilzepidemie die Produktion in dem südamerikanischen Land massiv einbrechen. Weltweit sorgt der Schädlingsbefall für Ernteverluste von bis zu 40 Prozent.

In Zusammenarbeit mit der Universität Campinas, Brasilien, wollen Forschende des Fraunhofer IVV im Projekt »Damaged Beans« neue Verwertungswege für die beschädigten Kakaofrüchte etablieren. Insbesondere für die Herstellung von Kosmetika könnten die von Pilzen befallenen, beschädigten Kakaobohnen einen wertvollen Rohstoff darstellen und gesundheitsschädliche Stoffe ersetzen.

Eine wichtige Säule der Wirtschaft in Mittel- und Südamerika ist der Anbau von Kakao, der vor allem für die Herstellung von Schokolade verwendet wird. Der Kakaoanbau leidet jedoch schwer unter den Folgen der Pilzkrankheiten Hexenbesen und Black Pod Disease, die sich in den 1990er Jahren epidemisch verbreiteten und in Brasilien zu einem drastischen Einbruch der Kakaoproduktion führten. Trotz aller Bemühungen gibt es nach wie vor keinen Erfolg bei der Bekämpfung der Krankheiten. In der Schokoladenproduktion müssen beschädigte Kakaofrüchte daher weggeworfen werden.

Hier setzt das CORNET-Projekt (Collective Research Networking) »Damaged Beans« an. Ziel ist es, Verwertungspfade für kranke Kakaobohnen zu etablieren. Eingesetzt werden könnten die beschädigten Kakaofrüchte z. B. für die Herstellung von Produkten, wie Kosmetika, aber auch für Schmierstoffe und Reinigungsmittel. Das Fraunhofer IVV in Freising entwickelt daher im Projekt Damaged Beans gemeinsam mit der Universität Campinas spezifische Methoden, um unterschiedliche Pilzkontaminationen zu erkennen, zu klassifizieren und neue Anwendungen für minderwertige Kakaobohnen zu identifizieren. Dieser Ansatz hat das Potenzial, die gesamte Kakao-Wertschöpfungskette zu optimieren. Landwirte werden in der Lage sein, einen größeren Anteil ihrer Ernte zu vermarkten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert das vom Fraunhofer IVV koordiniert Vorhaben. Ein Konsortium aus 19 Industriepartnern begleitet das Projekt.

Kakaobutter kann Acrylate ersetzen

»Aus den Kakaobohnen wird Kakaopulver und Kakaobutter hergestellt. Kakaobutter hat aufgrund der durch die Pilzkrankheiten Hexenbesen und Black Pod Disease verursachten chemischen Veränderungen ein anderes Schmelzverhalten und ist daher bei Raum-/Körpertemperatur weicher. Für kosmetische Anwendungen kann das von Vorteil sein, vor allem für fetthaltige Naturkosmetika wie Lippenstifte, Bodylotions und Cremes«, erläutert Dominic Wimmer, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Fraunhofer IVV. Eine veränderte Zusammensetzung der Aminosäuren und Proteine erhöht die Gelier- und Verdickungseigenschaften. Das könnte die Zutaten aus beschädigten Kakaobohnen zu einem idealen Ersatz für gesundheitsschädliche Acrylate machen, die als Gelbildner bzw. Quellmittel in konventioneller Kosmetik eingesetzt werden, aber auf der Haut Allergien auslösen können.

Nachhaltigkeit in der Prozesskette

Doch um die von Pilzen beschädigten Kakaobohnen für einen Einsatz außerhalb der Lebensmittelindustrie zu erschließen, entwickelt die Universität Campinas zunächst Untersuchungsmethoden auf Grundlage von Nahinfrarotspektroskopie (NIR), um den Grad der Schädigung und die physikalisch-chemische Qualität der pilzbefallenen Kakaobohnen zu ermitteln. Anschließend etabliert das Fraunhofer IVV ein mehrstufiges Kaskadenextraktionsverfahren, um so nach der Fettabtrennung Kakaobutter, Proteine und sekundäre Pflanzenstoffe (SPS) wie Polyphenole für Anwendungen in der kosmetischen und chemischen Industrie zu gewinnen. Dabei werden Proteine und sekundäre Pflanzenstoffe mit Hilfe verschiedener Lösungsmittel extrahiert. »Aufgrund des Pilzbefalls sind die Inhaltsstoffe und die sensorischen Eigenschaften der Proteine und der SPS verändert. Neben Kakaobutter eignen sie sich aber trotz ihrer divergenten Struktur ggf. für technische Anwendungen wie biobasierte Reinigungs- und Desinfektionsmittel sowie Schmierstoffe und bieten die Möglichkeit im Sinne der Nachhaltigkeit, mineralölbasierte Ressourcen durch natürliche Inhaltsstoffe zu ersetzen«, so der Forscher.

Um an die wertvollen Inhaltsstoffe der Kakaobohnen zu kommen, sind teils aufwendige Verfahren nötig. Daher prüfen Wimmer und sein Team, inwieweit man im Extraktionsverfahren auf zeit- und energieintensive Fermentations- und Trocknungsprozesse oder die Röstung verzichten kann, wenn das Endprodukt nicht in Lebensmitteln zum Einsatz kommen soll.

Zudem will das Forschendenteam die Kakaobutter nicht durch Abpressen in einer Fettpresse gewinnen, sondern mithilfe von organischen Lösemitteln wie etwa Ethanol und überkritischem CO2 extrahieren – eine besonders schonende Methode. Um Proteine und SPS zu gewinnen, werden die festen Bestandteile mit wässrigen Extraktionen behandelt. Durch Variation von Druck und Temperatur kann die Löslichkeit auf die gewünschten sekundären Pflanzeninhaltsstoffe und Proteine eingestellt und somit eine spezifische Extraktion erreicht werden.

Bessere Lebensgrundlage für kleine Farmen

»Durch unser Kaskadenextraktionsverfahren können beschädigte Bohnen weiterverarbeitet werden; den betroffenen Farmen erschließen sich neue Wertschöpfungswege mit großem finanziellen Potenzial. Weltweit sind 40 bis 50 Millionen Menschen in der Kakaoproduktion beschäftigt, 80 bis 90 Prozent davon in kleinen Betrieben«, resümiert Wimmer. »Darüber hinaus stehen der Schokoladenindustrie dadurch mehr reine lebensmitteltaugliche Rohstoffe zur Verfügung«.

Weitere Informationen:

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Karin Agulla PR und Kommunikation
Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV

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