Hauptschalter für die Entwicklung von Blutzellen entdeckt

Bisher kennt die Forschung rund 20 Genschalter, welche die Entwicklung der verschiedenen Blutzellen aus den Blutstammzellen des Knochenmarks steuern. Eine zentrale Rolle unter diesen so genannten Transkriptionsfaktoren spielt dabei der Genschalter PU.1. Er steuert die Entwicklung zweier großer Blutzell-Linien des Immunsystems, einmal der Lymphozyten, zum anderen der myeloischen Blutzellen. PU.1 reguliert auch die Entwicklung der Blutstammzellen, und stellt damit sicher, dass sich immer wieder neue Blutzellen bilden. Wie aber wird dieser Genschalter selbst gesteuert?

Der Zellbiologe Dr. Frank Rosenbauer, der kürzlich von den Harvard Institutes of Medicine in Boston, USA, mit Förderung aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds des Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft als Nachwuchsgruppenleiter an das zu dieser Forschungsgemeinschaft gehörende Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch berufen worden ist, hat im Tierversuch einen Hauptschalter für PU.1 nachgewiesen. Dieser Hauptschalter, kurz URE (upstream regulatory element) genannt, dreht den Genschalter nicht einfach an- oder aus, sondern kann ihn auch fein steuern, wie Dr. Rosenbauer jetzt erstmals zeigen konnte. Je nachdem, ob URE den Genschalter hoch- oder herunterreguliert, bilden sich aus den Vorläuferzellen der Lymphozyten entweder B- oder T-Zellen. Fehlt URE, entwickeln die Tiere eine Reihe verschiedener Blutkrebsformen, an denen sie innerhalb weniger Monate sterben. Die Arbeit von Dr. Rosenbauer und seinen Kollegen aus den USA und dem MDC hat jetzt die Zeitschrift Nature Genetics* in ihrer jüngsten online-Ausgabe (27. November 2005, doi:10.1038/ng1679) veröffentlicht.

Was die Entwicklung der T-Zellen angeht, so konnten Dr. Rosenbauer und seine Kollegen weiter zeigen, dass der Hauptschalter URE in einen Signalweg eingebunden ist, den Forscher wnt-pathway nennen. Er spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung eines komplexen und gesunden Organismus und reicht von der Oberfläche einer Zelle bis in den Zellkern mit der genetischen Schaltzentrale. Während der T-Zell-Entwicklung wird der wnt-Signalweg normalerweise abgeschaltet, was dazu führt, dass der Hauptschalter URE den Genschalter PU.1 stilllegt. Ist die Signalübertragung auf diesem Informationskanal jedoch gestört, kann PU.1 nicht richtig abgeschaltet werden. Die Folge: die T-Zellen reifen nicht aus und es entstehen Fehlbildungen und Tumore. „Die Deregulation von PU.1 bereitet die Plattform für weitere Mutationen in den Blutstammzellen bzw. Vorläuferzellen und damit für die Entstehung einer Reihe verschiedener Blutkrebsformen“ erläutert Dr. Rosenbauer die Bedeutung dieses Prozesses. Als Nächstes wollen die MDC-Forscher zusammen mit Blutkrebsspezialisten aus der Charité-Universitätsmedizin Berlin Patientenblut untersuchen, um festzustellen, ob die aus den Tierversuchen gewonnenen Erkenntnisse auch bei Störungen der Blutzellentwicklung des Menschen nachweisbar sind.

Media Contact

Barbara Bachtler MDC Berlin

Weitere Informationen:

http://www.mdc-berlin.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue Dropbox Features

Nahtlose Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, gemeinsame Dokumentenerstellung für Microsoft, erweiterte Dropbox Replay-Funktionen und vieles mehr. Dropbox Inc. (NASDAQ: DBX) kündigt heute neue Funktionen für mehr Sicherheit, bessere Organisation sowie schnellere und bequemere Freigabeprozesse…

Mehr Prozess- und Produktinnovationen in Deutschland als im EU-Durchschnitt

Mehr als jedes 3. Unternehmen (36 %) in Deutschland hat zwischen 2018 und 2020 (aktuellste Zahlen für die EU-Länder) neue Produkte entwickelt, Neuerungen von Wettbewerbern imitiert oder eigene Produkte weiterentwickelt….

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Partner & Förderer