Bedeutung des „Ozeanwetters“ für Ökosysteme

Seetang (Fucus) ohne (links) und unter dem Einfluss einer Hitzewelle in einem kontrollierten Benthokosmen-Experiment. Foto: Martin Wahl, GEOMAR

Der Klimawandel verändert unseren Planeten, zwar stetig, aber langsam, manchmal kaum wahrnehmbar, insbesondere im Ozean laufen diese Prozesse noch langsamer ab. In den Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels auf marine Ökosysteme stehen diese schleichenden Änderungen im Vordergrund, zwei Grad Erwärmung in 100 Jahren oder das Absinken des ph-Wertes im 0.1-0.2.

Dabei gibt es zunehmend starke und schnelle Schwankungen, denen die Meeresumwelt ständig ausgesetzt ist, die aber in den bisherigen Untersuchungen kaum eine Rolle spielen. Dabei haben sie ein beträchtliches Potenzial, die Folgen des Klimawandels zu modellieren – zu puffern oder zu verstärken.

Deshalb fordert ein internationales Team von marinen Ökologen, diese rapiden Schwankungen in zukünftigen Studien mit einzubeziehen. Der Beitrag der Gruppe, an dem auch zwei Forschende des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel mitwirkten, ist jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Nature erschienen.

Ein Grad höhere Wassertemperatur in den Tropen kann schon darüber entscheiden, ob es zu einer Korallenbleiche kommt oder nicht. Auf der anderen Seite kann die Wassertemperatur innerhalb eines Tidenzyklus in Küstennähe um bis zu 10 Grad schwanken. „Marine Ökosysteme sind auf unterschiedliche Art und Weise an so rasche Schwankungen, die wir das ‚Ozeanwetter‘ nennen, angepasst“, sagt Prof. Dr. Martin Wahl, Leiter der benthischen Ökologie am GEOMAR und Ko-Autor des Beitrags.

„Diese Stresstoleranz der Organismen und wie diese sich unter Fluktuationen verschiebt, wird aber bei vielen Experimenten zum Klimawandel nicht berücksichtigt. Zum Teil ist dies auch schwierig, da nutzbare Beobachtungsdaten fehlen und entsprechende Experimente sehr anspruchsvoll sind“, so Professor Wahl weiter.

Oft steht nur eine vom Satelliten gemessenes Meeresoberflächentemperatur zur Verfügung, die nur eine Information über den obersten Millimeter der Wassersäule wiedergibt, mit einer groben horizontalen Auflösung. „Die kleinskalige und für Organismen relevante Welt ist ganz anders, und es ist wichtig herauszufinden, welche Auswirkungen die raschen Schwankungen auf Tiere und Pflanzen im Meer haben“, ergänzt Dr. Tamar Guy-Haim vom GEOMAR, ebenfalls Ko-Autorin der Studie.

„Dafür benötigen wir mehr hochaufgelöste Daten zur Umweltvariabilität über möglichst lange Zeiträume, aber auch anspruchsvollere Experimente“, fordert Prof. Wahl. Eine Studie zu einem globalen Temperaturanstieg von zwei Grad sei auch in der Atmosphäre wenig aussagekräftig, wenn die regionalen Veränderungen, aber auch saisonale Schwankungen und Extremereignisse nicht betrachtet werden. So würden sich im langfristigen Trend Dürren, wie wir sie im Moment hierzulande erleben, gar nicht abbilden, diese hätten aber drastische und langfristige Auswirkungen auf die Ökosysteme, so Prof. Wahl abschließend.

Prof. Dr. Martin Wahl, mwahl@geomar.de

Bates, A., B. Helmuth, M. T. Burrows, M. I. Duncan, J. Garrabou, T. Guy-Haim, F. Lima, A. M. Queiros, R. Seabra, R. Marsh, J. Belmaker, N. Bensoussan, Y. Dong, A. D. Mazaris, D. Smale, M. Wahl, G. Rilov, 2018: Biologists ignore ocean weather at their peril. Nature 560, 299-301, doi: 10.1038/d41586-018-05869-5

Media Contact

Dr. Andreas Villwock idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue Sensorkonzepte dank integrierter Lichtwellenleiter aus Glas

Auf hoher See und in der Hochleistungs-Elektronik. In Glas integrierte Lichtleiter haben das Potenzial, die Messqualität von Sensoren für Forschung und Industrie deutlich zu verbessern. Im Projekt „3DGlassGuard“ arbeitet ein…

Regenerative Kraftstoffe: Baukasten für die Verkehrswende

Vor etwa zehn Jahren wurde an der Hochschule Coburg der Diesel-Kraftstoff R33 entwickelt – der Name steht für einen Anteil von 33 Prozent erneuerbarer Komponenten. Dieses Potenzial wurde nun mit…

‚Starke‘ Filter – Neuartige Technologie für bessere Displays und optische Sensorik

Studie zeigt, wie ein quantenmechanisches Prinzip der starken Kopplung bislang unerreichte Möglichkeiten zur Konstruktion optischer Filter eröffnet: Sogenannte „Polaritonfilter“ eröffnen revolutionäre Wege in der Bildgebung. Publikation in „Nature Communications“. Einem…