Aus Abwässern der Joghurtproduktion sollen Viehfutter und Flugzeug-Kraftstoffe entstehen
Wissenschaftler haben einen Prozess entwickelt, mit dem sich Sauermolke, ein Abfallprodukt der Herstellung von bestimmten Milchprodukten, weiterverwenden lässt, ohne dass zusätzliche Chemikalien eingesetzt werden müssen. Professor Lars Angenent vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen und internationale Kolleginnen und Kollegen setzten lediglich Kulturen verschiedener Mikroorganismen ein, ähnlich denen im menschlichen Darm, dem sogenannten Mikrobiom.
Das daraus entstandene Bio-Öl könne als Tierfutter oder nach Weiterbearbeitung als Kraftstoff für Flugzeuge verwendet werden, so das Ergebnis. Die Studie wurde im Fachjournal Joule veröffentlicht.
Für jeden Liter Milch, der in die Herstellung von Produkten wie Quark und griechischem Joghurt oder Frischkäse geht, entstehen in der Fabrik zwei Liter sogenannte Sauermolke als Abfallprodukt. Diese kann wegen des hohen Säuregehalts nicht in großen Mengen an Tiere verfüttert werden. Sie ist noch reich an organischen Stoffen wie Milchzucker und muss entsorgt oder auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden.
In der Studie untersucht Lars Angenent, Humboldtprofessor für Umweltbiotechnologie an der Universität Tübingen, wie sich Sauermolke in wiederverwertbare Produkte umwandeln lässt. Er nutzte dafür einen Bioreaktor mit verschiedenen Bakterienkulturen, ein sogenanntes Reaktor-Mikrobiom.
„Dieses Mikrobiom ist eine offene Kultur, in der sich auch Bakterien von außerhalb ansiedeln können, ähnlich dem Mikrobiom in unserem Darm. Eine Sterilisation des Bioreaktors oder des Abwassers ist deshalb nicht nötig“, erklärt er. „Bestimmte Bakterien werden dann selektiert und der Prozess so gelenkt, dass wertvollere organische Stoffe mit längeren Kohlenstoffketten entstehen.“
Angenent erläutert den Prozess im Detail: „Wir haben nacheinander zwei Tanks mit unterschiedlichen Temperaturen eingesetzt. Im ersten, auf 50 Grad Celsius erhitzten Tank wandelte das Mikrobiom Zucker in Säure als Zwischenprodukt um ‒ die gleiche Säure, die entsteht, wenn Milch sauer wird. Im zweiten Tank setzte das Mikrobiom bei 30 Grad Celsius die vorhandenen Stoffe in Produkte mit sechs bis neun Kohlenstoffen in einer Reihe um.“ Angenents Tübinger Forschungsgruppe zur Umweltbiotechnologie untersuchte danach auch, welche Bakterien sich in den offenen Kulturen angesiedelt hatten.
Das neue entstandene Produkt könnte zur Fütterung von Tieren eingesetzt werden und durch seine antimikrobiellen Eigenschaften sogar der Vorbeugung von Tierkrankheiten dienen. Nach Bearbeitung in einer Raffinerie ließe sich damit auch Kraftstoff für Flugzeuge produzieren, sagte der Wissenschaftler. Weil das Produkt aus dem Bioreaktor-Mikrobiom viel Kohlenstoff enthalte, entwickle es ölige Eigenschaften und könne leichter vom Wasser getrennt werden, in dem es hergestellt wurde. Danach müsse das Öl gereinigt und in einer Raffinerie weiterverarbeitet werden.
„Wir stellen somit Bio-Öl aus bakterieller Produktion her.“ Das Innovative daran sei, dass für den Prozess keine anderen kohlestoffreichen Chemikalien verwendet werden müssten, das Abwasser allein reiche aus. Bislang habe man die Herstellung von Stoffen mit langen Kohlenstoffketten nur durch Zugabe teurer Chemikalien erreicht.
Die Produktion von Bio-Öl gehört zur Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft, die alle Abfallprodukte in wertvollere Stoffen recycelt. „Eine Kreislaufwirtschaft kann nur dann wirklich nachhaltig sein, wenn die Energie aus erneuerbaren Quellen kommt und der Kohlenstoff für Chemikalien aus Kohlendioxid und anderen kohlenstoffhaltigen Abfällen wie Sauermolke“, sagt Angenent. Nun müsse untersucht werden, wie andere Abwässer ebenso in nützliche Chemikalien verwandelt werden könnten.
Publikation:
Jiajie Xu, Jiuxiao Hao, Juan JL Guzman, Catherine M Spirito, Lauren A Harroff, Largus T Angenent: “Temperature-phased conversion of acid whey waste into medium-chain carboxylic acids via lactic acid: no external e-donor”, Joule 10.1016/j.joule.2017.11.008: http://www.cell.com/joule/fulltext/S2542-4351(17)30179-4
Kontakt:
Prof. Dr. ir. Lars Angenent
Universität Tübingen
Zentrum für Angewandte Geowissenschaften
Umweltbiotechnologie
Telefon +49 7071 601-322
l.angenent@uni-tuebingen.de
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