Auge in Auge mit winzigen Fischen

Aufbau eines Experiments: Die Petrischale mit Zebrafischlarven wird unter einem Stereomikroskop platziert, umgeben von vier Bildschirmen, auf denen visuelle Reize präsentiert werden. Abbildung: Aristides Arrenberg
Zebrafische gehören erst seit kurzem zu den wichtigsten Tiermodellen der neurowissenschaftlichen Forschung. Laboreinrichtung und Software zur Analyse ihres Verhaltens sind daher oft extrem spezialisiert und teuer.
Neurobiologen vom Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) der Universität Tübingen haben nun eine einfach zu bedienende Software entwickelt und stellen diese frei und im Quellcode zur Verfügung:
Das Programm erlaubt den Einsatz zahlreicher Untersuchungsansätze und verschiedenster Hardware-Komponenten in Verhaltensexperimenten zu Augenbewegungen von Zebrafischen. Die Software ‚ZebEyeTrack’ und ihre Anwendungsbereiche stellen die Wissenschaftler im Nature-Tochterjournal Nature Protocols vor.
Was haben die nur wenige Millimeter langen, glasartig durchsichtigen Larven eines südasiatischen Zierfisches mit Menschen gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, und doch gelten die Larven des Zebrabärblings (auch Zebrafisch genannt) als mit am besten geeignet, um grundlegende Mechanismen unserer Wahrnehmung zu erforschen. Ein Beispiel ist die Steuerung des Auges, dessen Ausrichtung auf großflächige, bewegte Sehreize bei Zebrafischlarven ganz ähnlich funktioniert wie bei uns Menschen.
Wer im Detail wissen will, wie ein Fisch sieht, benötigt dazu eine äußerst aufwändige Laborausrüstung – nicht untypisch für die Lebens- und Naturwissenschaften. Dazu gehören Softwarelösungen, mit deren Hilfe sich zahlreiche Parameter erfassen und messen lassen.
Dafür können sich Forschende einer kommerziellen Software für die Verfolgung von Fischaugenbewegungen bedienen, die aber selten auf die speziellen Fragestellungen eines Projekts ausgerichtet ist und deren Kauf kostspielig sein kann – oder aber das Labor entwickelt eine eigene Softwareanwendung, was entsprechende Programmierfähigkeiten voraussetzt und oft mit jahrelangem Aufwand einhergeht.
Bereits während seiner Doktorarbeit entschied sich der Neurobiologe Aristides Arrenberg deshalb dafür, selbst eine Software zu entwickeln, die den Ansprüchen seiner Arbeit genügte. Seine Forschergruppe am Tübinger CIN arbeitet mit einer über die Jahre immer wieder überholten und erweiterten Version dieser Software, die inzwischen viel dazu gelernt hat: So kann sie individuell gestaltbare Lichtreize steuern, die den Fischlarven präsentiert werden, und die resultierenden Augenbewegungen automatisch erkennen, verfolgen, aufzeichnen und in Echtzeit nach verschiedensten Kriterien analysieren.
Dazu kommen Plugins für Laser- und Mikroskopeinsatz sowie eine einfach zu bedienende grafische Benutzeroberfläche. Um anderen Laboren weltweit den Einstieg in Experimente zur Funktion des Zebrafisch-Sehsystems zu erleichtern, hat die Forschergruppe die Software – mittlerweile auf den Namen ‚ZebEyeTrack’ getauft – nun allgemein zugänglich gemacht. Die Software kann auf zebeyetrack.com ohne Installation direkt getestet oder auch heruntergeladen werden und wird in Nature Protocols von den Autoren beschrieben.
„Wir wissen, dass Forschende weltweit sehr unterschiedliche Ansprüche an solch eine Software haben. Daher machen wir auch den Quellcode verfügbar, so dass unsere Lösung schon mit ein wenig Programmierkenntnis individuell angepasst werden kann“, erklärt Florian Dehmelt, der die (vorerst) finale Version programmierte. Gruppenleiter Arrenberg fügt hinzu: „Mit ZebEyeTrack verstehen wir uns als Teil der Open-Source-Bewegung. Wir hätten vermutlich auch ein Patent anmelden und ZebEyeTrack kommerziell vertreiben können. Aber daran haben wir kein Interesse – damit würden wir ja genau dem Problem Vorschub leisten, das wir selbst einmal hatten.“
Publikation: Florian A. Dehmelt, Adam v. Darányi, Claire Leyden, Aristides B. Arrenberg: Evoking and Tracking Zebrafish Eye Movement in Multiple Larvae with ZebEyeTrack. In: Nature Protocols (im Druck). doi: 10.1038/s41596-018-0002-0
Bilder erhalten Sie hochaufgelöst unter http://www.pressefotos.uni-tuebingen.de/20180710_Zebrafisch_Software.zip
Bitte beachten Sie die Quellenangabe.
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge

Prothesenlockerung frühzeitig erkennen
Die Hochschule Coburg und Regiomed forschen gemeinsam an der Entwicklung einer innovativen Messtechnik, durch die eine Lockerung von Hüftprothesen bald im Frühstadium erkannt werden soll. Zukünftig soll es möglich sein,…

Virtueller Bahnlärm – nah an der Realität
An der Empa erkunden Akustik-Fachleute seit Jahren, wie Lärm durch Personen- und Güterzüge entsteht – und welche technischen und baulichen Massnahmen dagegen besonders wirksam sind. Ihre theoretischen und praktischen Erkenntnisse…

Rätsel um schwankenden Warmwasser-Einstrom in die Arktis gelöst
Neue Studie hilft dabei, Prognosen zum Schicksal des arktischen Meereises zu verbessern. Das Wechselspiel in der Wetterküche zwischen Azorenhoch und Islandtief bestimmt maßgeblich, wie viel warmes Wasser der Atlantik entlang…