Aktive Nervenfasern im Gehirn werden dynamisch mit Energie versorgt

Querschnitt von Nervenfasern des Sehnervs der Maus
(c) Zoe Looser und Aiman Saab / Universität Zürich

Spezialisierte Zellen namens Oligodendrozyten reagieren auf die Aktivität der Hirnzellen und versorgen die langen Nervenverbindungen bedarfsgerecht mit Energie, wie UZH-Forschende zeigen. Wird bei Mäusen diese zelluläre Kommunikation unterbrochen, treten mit fortschreitendem Alter Schäden an den Nervenfasern auf, die jenen bei neurodegenerativen Erkrankungen ähneln.

Die Gehirnfunktion ist abhängig von der schnellen Weiterleitung elektrischer Signale entlang der Axone. Diese langen Ausläufer der Nervenzellen verbinden Milliarden von Hirnzellen miteinander. Um eine schnelle und effiziente Signalübertragung zu gewährleisten, werden die Axone von speziellen Zellen umhüllt und isoliert: den Oligodendrozyten.

Oligodendrozyten spüren und reagieren auf elektrische Signale

Einzelner Oligodendrozyt
Einzelner Oligodendrozyt. (c) Zoe Looser und Aiman Saab / Universität Zürich

Nun hat ein Team von Neurowissenschaftlern unter der Leitung von Aiman Saab am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich (UZH) eine neue zentrale Funktion dieser isolierenden Zellen im Mäusegehirn entdeckt: «Die Oligodendrozyten nehmen die Signale aktiver Nervenfasern nicht nur wahr, sondern reagieren auch unmittelbar darauf, indem sie den Verbrauch der primären Energiequelle Glukose beschleunigen», sagt Saab. Sie liefern folglich energiereiche Moleküle an die schnell feuernden Axone, um deren dynamischen Energiebedarf zu decken.

Kalium ist Schlüsselsignal für die Energieversorgung

Um zu verstehen, wie aktive Axone mit den sie umgebenden Oligodendrozyten kommunizieren, untersuchten die Forschenden den Sehnerv der Maus. Um nach der Stimulierung das «Feuern» der Nervenfasern zu beobachten, wie die Oligodendrozyten darauf reagieren, verwendeten sie winzige Biosensoren: künstlich hergestellte Proteine, die als mikroskopische Detektoren für molekulare Veränderungen dienen. «Damit konnten wir zeigen, dass Kalium das Schlüsselsignal ist, das die Oligodendrozyten aktiviert. Es wird von den Axonen während des Feuerns freigesetzt», sagt Zoe Looser, die Erstautorin der Studie.

Fehlende Kommunikationskanäle führen zu Nervenfaserschäden

Die Forscher identifizierten auch einen spezifischen Kaliumkanal namens «Kir4.1» als Schlüsselakteur bei der Kommunikation zwischen Nervenfasern und Oligodendrozyten. Um dessen Rolle zu untersuchen, verwendete das Team genetisch veränderte Mäuse, denen diese Kanäle in den Oligodendrozyten fehlten. Bei diesen Mäusen wiesen Axone verringerte Laktatwerte auf und reagierten weniger auf den Laktatanstieg bei der Aktivierung. Laktat ist ein wichtiges Nebenprodukt des Glukosestoffwechsels und zeigt an, wie schnell dieser Prozess läuft. «Die fehlenden Kaliumkanäle führten zu einem verminderten Glukosestoffwechsel in den Nervenfasern und schliesslich, wenn die Mäuse alterten, zu schweren Axonschäden», ergänzt Looser.

Wie Alter und Krankheiten die Gesundheit der Nervenfasern beeinflussen

Oligodendrozyten spielen somit eine wesentliche Rolle bei der Regulierung der Stoffwechselprozesse in den Axonen, die für gesunde Nervenverbindungen im Gehirn unerlässlich sind. Zudem versorgt Glukose die Axone nicht nur mit Energie, sondern unterstützt auch Schutzmechanismen gegen Zellschäden durch oxidativen Stress. «Ist aufgrund von Schäden in den Oligodendrozyten der Glukosestoffwechsel in den Nervenfasern gestört, kann das längerfristig Nervenzellschäden verursachen. Diese sind vergleichbar mit Nervenzellschäden, die im Alter sowie bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Multipler Sklerose und Alzheimer auftreten», sagt Aiman Saab. Diesen Zusammenhang wollen die Forschenden nun genauer untersuchen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Aiman S. Saab
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 59 76
E-Mail: asaab@pharma.uzh.ch

Dr. Zoe Looser
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 59 65
E-Mail: zoe.looser@pharma.uzh.ch

Originalpublikation:

Zoe J. Looser, et. al. Oligodendrocyte-axon metabolic coupling is mediated by extracellular K+ and maintains axonal health. Nature Neuroscience. 24 January 2024. DOI: 10.1038/s41593-023-01558-3

Weitere Informationen:

https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2024/Oligodendrozyten.html

Media Contact

Kurt Bodenmüller Kommunikation
Universität Zürich

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues Wirkprinzip gegen Tuberkulose

Gemeinsam ist es Forschenden der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Universität Duisburg-Essen (UDE) gelungen, eine Gruppe von Molekülen zu identifizieren und zu synthetisieren, die auf neue Art und Weise gegen…

Gefahr durch Weltraumschrott

Neue Ausgabe von „Physikkonkret“ beleuchtet Herausforderungen und Lösungen für eine nachhaltige Nutzung des Weltraums. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) veröffentlicht eine neue Ausgabe ihrer Publikationsreihe „Physikkonkret“ mit dem Titel „Weltraumschrott:…

Wasserstoff: Versuchsanlage macht Elektrolyseur und Wärmepumpe gemeinsam effizient

Die nachhaltige Energiewirtschaft wartet auf den grünen Wasserstoff. Neben Importen braucht es auch effiziente, also kostengünstige heimische Elektrolyseure, die aus grünem Strom Wasserstoff erzeugen und die Nebenprodukte Sauerstoff und Wärme…

Partner & Förderer