Achillesferse von gefährlichem Krankenhauskeim
Die Struktur eines wichtigen Enzyms im Stoffwechsel des Krankenhauskeims Acinetobacter baumannii hat ein Wissenschaftsteam der DFG-Forschergruppe 2251 unter Federführung der Goethe-Universität aufgeklärt. Das Enzym „MtlD“ ist für das Bakterium wichtig für die Herstellung des Zuckeralkohols Mannitol, mit dem es sich in trockenen oder salzhaltigen Umgebungen wie Blut oder Urin vor Wasserverlust und Austrocknen schützt. Die Strukturanalyse hat Schwachstellen offenbart, an denen sich das Enzym hemmen lässt, um den Krankenhauskeim zu schädigen. (PNAS, DOI: 10.1073/pnas.2107994119)
Jährlich erkranken in Europa mehr als 670 000 Menschen an Erregern, die resistent gegen Antibiotika sind, und 33 000 sterben an den von ihnen verursachten Krankheiten. 2017 nennt die WHO Antibiotikaresistenzen eine der größten Bedrohungen für die Weltgesundheit. Besonders gefürchtet werden Keime, die gleich gegen mehrere Antibiotika resistent sind. Unter ihnen sticht Acinetobacter baumannii hervor, ein Bakterium, dass eine außergewöhnlich hohe Fähigkeit besitzt, Multiresistenzen zu entwickeln und als „Krankenhauskeim“ besonders Patienten mit einem geschwächten Immunsystem bedroht. Acinetobacter baumannii ist sehr widerstandsfähig, da es auch in trockener Umgebung lange infektiös bleiben und so auf den Tastaturen medizinischer Geräte, Stationstelefonen oder Lampen überdauern kann. Diese Eigenschaft hilft der Mikrobe auch dabei, auf der trockenen menschlichen Haut zu überleben oder in Körperflüssigkeiten wie Blut und Urin, die verhältnismäßig hohe Konzentrationen an Salzen und anderen gelösten Stoffen enthalten.
Einen zentralen Mechanismus, mit dem sich Acinetobacter baumannii in solch widriger Umgebung einrichtet, hat jetzt das Wissenschaftsteam der DFG-Forschergruppe 2251 unter Federführung der Goethe-Universität aufgeklärt: Wie viele Bakterien und auch Pflanzen oder Pilze ist Acinetobacter baumannii in der Lage, den Zuckeralkohol Mannitol herzustellen, einen Stoff, der sehr stark Wasser bindet. Dadurch verhindert Acinetobacter baumannii ein Austrocknen.
Fast einzigartig ist jedoch die Art, wie Acinetobacter baumannii Mannitol herstellt: Die beiden letzten Schritte der Mannitol-Herstellung werden durch einen statt wie bei den weitaus meisten Organismen zwei Enzymkomplexe katalysiert. Dieses Enzym „MtlD“ mit zwei katalytischen Aktivitäten entdeckten bereits 2018 Wissenschaftler:innen um Prof. Beate Averhoff und Prof. Volker Müller. Jetzt ist dem Team von Prof. Klaas Martinus Pos, der ebenfalls Mitglied in der DFG-Forschergruppe ist, gelungen, die räumliche Struktur des Enzyms aufzuklären.
Prof. Pos erklärt: „Wir haben herausgefunden, dass das Enzym gewöhnlicherweise in Form von freien Monomeren vorliegt. Die besitzen zwar die beiden nötigen katalytischen Aktivitäten, sind aber inaktiv. Erst eine trockene oder salzhaltige Umgebung löst den sogenannten osmotischen Stress im Bakterium aus, in dessen Folge sich die Monomere zu Dimeren zusammenlagern. Dann erst wird das Enzym aktiv und produziert Mannitol.“ Außerdem fanden die Wissenschaftler:innen heraus, welche Stellen in der Struktur besonders wichtig für die katalytischen Funktionen des Enzyms und die Dimer-Bildung sind.
Prof.Volker Müller, Sprecher der DFG-Forschergruppe 2251, ist überzeugt: „Diese Arbeit zeigt einen wichtigen neuen Ansatzpunkt zur Bekämpfung dieses Krankenhauskeims. Denn wir haben eine biochemisch empfindliche Stelle im Stoffwechsel des Krankenhauskeims identifiziert. Hier könnten in der Zukunft maßgeschneiderte Substanzen zur Hemmung des Enzyms ansetzen.“
Bilder zum Download:
1) Mannitol-produzierendes Enzym
https://www.uni-frankfurt.de/116943466
Erinnert an einen Schmetterling: Das Mannitol-produzierenden Enzym des Krankenhauskeims Acinetobacter baumannii schützt das Bakterium nur in seiner Dimer-Form vor Wasserverlust und Austrocknen. Bild: Klaas Martinus Pos, Goethe-Universität Frankfurt
2) Acinetobacter baumannii
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Acinetobacter_baumannii.JPG
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Clusters von gramnegativen, unbeweglichen Bakterien der Art Acinetobacter baumannii. Photo: Janice Carr
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Volker Müller
Sprecher der Forschergruppe 2251
Abteilung Molekulare Mikrobiologie & Bioenergetik
Institut für Molekulare Biowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: +49 (0)69 798-29507
vmueller@bio.uni-frankfurt.de
Prof. Dr. Klaas Martinus Pos
Professur für Membrantransport-Maschinen
Institut für Biochemie
Goethe-Universität Frankfurt
Tel.: +49 (0)69 798-29251
pos@em.uni-frankfurt.de
Originalpublikation:
Heng-Keat Tam, Patricia König, Stephanie Himpich, Ngoc Dinh Ngu, Rupert Abele,Volker Müller, Klaas M. Pos: Unidirectional mannitol synthesis of Acinetobacter baumannii MtlD is facilitated by the helix-loop-helix-mediated dimer formation. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. (2022) https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2107994119
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Züchtung von Leguminosen für mehr Nachhaltigkeit
EU-weites Forschungsprojekt BELIS: Innovative Geschäftsmodelle für effiziente Züchtung von Körner- und Futterleguminosen. BELIS steht für Breading European Legumes for Increased Sustainability. Das von der Europäischen Union im Rahmen des Forschungs-…
Faszinierende Einblicke ins Reparatursystem der Zelle
Die Membran, die Zellen in lebenden Organismen umgibt, ist äußerst flexibel und empfindlich. Wie sie sich vor Schäden schützt und erneuert, ist für viele Prozesse des Lebens entscheidend – und…
Protein-Kick stärkt Babys Darm
Postnatale Supplementierung mit S100a8/a9-Alarminen verbessert die durch Mangelernährung verursachte Enteropathie. Das Team der Abteilung Translationale Pädiatrie des Uniklinikums Würzburg (UKW) identifiziert in der Fachzeitschrift Nature Communications den Mangel an S100a8/a9…