Ein Nullenergiegebäude für die Stadt Seoul

Das Energy Dream Center in Seoul wurde unter der Federführung des Fraunhofer ISE als Nullenergiegebäude realisiert. Es dient als Ausstellungs- und Informationszentrum rund um das Thema erneuerbare Energien.<br><br>©Fraunhofer ISE<br>

Mit dem Energy Dream Center realisiert die Stadtregierung Seoul ein Zentrum für Erneuerbare Energien. Das Nullenergiegebäude widmet sich mit Ausstellungen und einem breiten Informationsangebot auf 3500 m² diesem Thema. Ein interdisziplinäres Team unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE hat das Energy Dream Center entworfen und den Bau begleitet.

Größte Herausforderung an die Wissenschaftler, Ingenieure und Architekten: Ein stimmiges Konzept, das Energieeinsparung und -effizienz mit architektonischen und funktionalen Ansprüchen verbindet. Entstanden ist ein Leuchtturmprojekt für die Umsetzung neuester Techniken und die Nutzung erneuerbarer Energien.

»Bauen Sie uns ein Zero Energy Building«, mit dieser konkreten Aufgabe wandte sich der Oberbürgermeister von Seoul, im Mai 2008 bei der Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding (MOU) im Bereich »Energy Saving & Energy Efficiency« an den Leiter des Fraunhofer ISE in Freiburg, Prof. Eicke R. Weber. Die Stadtregierung von Seoul stellte für das Projekt ein Grundstück in einem beliebten Naherholungsgebiet der Hauptstadt (World Cup Park) bereit, das Fraunhofer ISE koordinierte ein interdisziplinäres Team aus deutschen und südkoreanischen Projektpartnern.
»Ziel aller Beteiligten war es, ein Gebäude zu entwickeln, das mit seiner Form und Funktion für das Thema erneuerbare Energien steht«, so Dr.-Ing. Jan Wienold, Projektleiter am Fraunhofer ISE. Als Nullenergiegebäude soll das Energy Dream Center genau so viel Energie erzeugen, wie es verbraucht. Der jährliche Gesamtenergiebedarf muss durch den Einsatz erneuerbarer Energien in und am Gebäude gedeckt werden.

Ganzheitlicher Ansatz

Ein solches Projekt in Korea zu realisieren, war eine besondere Herausforderung. »Planungs- und Bauprozesse funktionieren in Deutschland und Südkorea unterschiedlich. Auch der Umgang mit Ressourcen und Energie ist ein völlig anderer«, so Wienold. Gelöst wurde die Aufgabe in einem mehrjährigen, ganzheitlichen Prozess. An dessen Ende stand die bestmögliche Kombination aus den gestalterischen Konzepten und den technologischen Lösungsansätzen. In umfangreichen Simulationen (thermisches Gebäudeverhalten und Tageslichtversorgung) und Berechnungen (Wärmebrücken) ermittelten die Projektpartner die optimale Konstellation von Gebäudehülle und technischen Anlagen.

Architektonisches Konzept

Das umgesetzte architektonische Konzept baut auf einem quadratischen Grundriss auf. Der dreigeschossige Baukörper weitet sich durch eine 45°-Drehung nach oben konisch aus. Er wird von einem ebenfalls quadratischen Flachdach nach oben abgeschlossen. Schräg über die Geschosse verlaufen keilförmige (Vor-)Dächer, die wie Flügel an der Fassade angebracht sind. Sie dienen als Witterungsschutz für die Eingangsbereiche und als feststehender Sonnenschutz für die Verglasungen. Auch die Fassade setzt sich aus streng geometrischen, spitzwinkligen Flächen zusammen. Da der Baugrund nicht tragfähig war, steht das Gebäude auf einer von Pfählen unterstützten Stahlbetonbodenplatte. Die schrägen Vordächer übernehmen zusätzlich eine statische Funktion.

Energie- und Technikkonzept

Die Energieeinsparung durch passive bauliche Maßnahmen hatte Priorität vor dem Einsatz gebäudetechnischer Anlagen. Um den Energiebedarf auf ein Minimum zu senken, wurde die Gebäudehülle nach Passivhausstandard konzipiert. Die aussteifenden, massiven Geschossdecken werden als thermische Speichermassen genutzt, um Lastspitzen bei der Kühlung auszugleichen. Die Architektur sorgt darüber hinaus für eine gute Tageslichtversorgung des Gebäudes. Hierfür wurde ein quadratischer Lichthof in der Gebäudemitte eingefügt. Die effiziente künstliche Beleuchtung mit LEDs wird über Lichtsensoren gesteuert.

Das gesamte Energie- und Technikkonzept ist an die Komfortanforderungen sowie an die klimatischen und technischen Rahmenbedingungen in Südkorea angepasst: Ergänzend zur Gebäudehülle stellt die Lüftungsanlage sicher, dass neben Wärme im Winter auch Feuchte und Kühle im Sommer geregelt werden. Die effiziente Gebäudetechnik verfügt über weitere energieeinsparende Elemente. Kernstück ist hierbei eine Erdsondenanlage, die im Sommer das Flächenkühlsystem mit Kälte versorgt und ganzjährig als Wärmequelle für eine Wärmepumpe dient. Darüber hinaus sind eine Lüftungsanlage mit zweistufiger Wärmerückgewinnung und Verdunstungskühlung sowie eine Turbokompressor-Kältemaschine zur Unterstützung der Erdsondenanlage und zur Luftentfeuchtung installiert. Durch diese gebündelten Maßnahmen konnte der Wärme- und Kühlenergieverbrauch des Gebäudes um 70 Prozent im Vergleich zum Standard in Korea gesenkt werden.

Energieversorgung

Der verbleibende Energiebedarf des Energy Dream Center wird in der Jahresbilanz durch regenerative Energieträger bereitgestellt. Neben der Nutzung geothermischer Energie für Heizung und Kühlung erzeugen netzgekoppelte Photovoltaikanlagen auf dem Dach, den Vordächern und einer kleinen Freifläche die Gesamtmenge an benötigter elektrischer Energie (rund 280 000 kWh/a). Damit ist das Gebäude in der Jahresbilanz energie- und klimaneutral – ein Net Zero Energy Building. Es erfüllt darüber hinaus Passivhausstandard sowie die koreanischen Standards: »Korean Green Building Certification KGBC« und das Label »Building Energy Efficiency«. Um das Energiekonzept und die Performance des Gebäudes zu überprüfen, ist ein Langzeitmonitoring durch das Fraunhofer ISE geplant.

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