Gebäude mit ökologischer Hülle

Vielschichtigkeit ist eines der erklärten Ziele beim Ecolopes Projekt.
(c) TUM / Ecolopes

Ecolopes zur Förderung der Biodiversität in der Stadt.

Natur in der Stadt hat positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Menschen. Gleichzeitig geht die biologische Vielfalt in urbanen Gebieten immer weiter zurück, zum Beispiel aufgrund der zunehmenden Verdichtung. Forschende unter Federführung der Technischen Universität München (TUM) suchen daher im Projekt „Ecolopes“ nach konkreten Lösungen, die eine grüne Infrastruktur mit einer höheren biologischen Vielfalt auch in Stadtgebieten ermöglichen.

Die Architektur hat als Schlüsseldisziplin einen erheblichen Einfluss auf die bebaute Fläche der Städte und damit auf die Biodiversität in den Städten. „Im Allgemeinen planen Architekten nicht für die biologische Vielfalt. Umgekehrt konzentrieren sich Naturschutzbemühungen meist auf die nicht bebauten Areale der Stadt. Die Bedeutung der Architektur für die Schaffung einer städtischen grünen Infrastruktur wird dabei ignoriert“, sagt Wolfgang Weisser, Professor für Terrestrische Ökologie an der Technischen Universität München (TUM).

„In der Architektur können wir uns heute nicht länger damit begnügen, Gebäude zu schaffen, die die Umwelt möglichst wenig belasten, sondern müssen stattdessen eine Architektur entwickeln, die zur Regeneration der Umwelt und zum Erhalt der Artenvielfalt auf unserem Planeten beiträgt und gleichzeitig den Kontakt zwischen Mensch und Natur fördert, anstatt ihn durch eine Abgrenzung von der Umwelt einzuschränken“, sagt Prof. Weisser. Genau an dieser Stelle setzt das Projekt ECOLOPES (ECOlogical enveLOPES) an.

Neues Gestaltungsparadigma für die Architektur

Die Wissenschaftler:innen argumentieren, dass die Förderung der biologischen Vielfalt zu einer wichtigen Triebkraft der architektonischen Gestaltung werden muss. Dies erfordert einen Wandel der bisherigen Gestaltungsgrundsätze in der Architektur, die sowohl menschliche als auch nicht-menschliche Bedürfnisse adressieren sollen. „Die Architektur muss neben dem Menschen auch andere Organismen wie Tiere, Pflanzen und sogar Mikroorganismen als zusätzliche Klienten einbeziehen“, sagt Ferdinand Ludwig, Professor für Green Technologies in Landscape Architecture an der TUM.

Artenübergreifender Entwurfsprozess

Dieser neue Gestaltungsansatz bringt sowohl für die Architektur als auch für die Ökologie Herausforderungen mit sich, denn eine artenübergreifende Gestaltung geht über die bestehenden Ansätze in Architektur und Ökologie hinaus. Der neue Entwurfsansatz lässt nun ökologisches Wissen in den architektonischen Entwurfsprozess einfließen.

Um einen artenübergreifenden Lebensraum zu schaffen, schlagen die Forschenden die Gestaltung von Gebäuden mit einem „Ecolope“ vor – einer nach mehreren Kriterien gestalteten Gebäudehülle, die den Bedürfnissen verschiedener Organismen Rechnung trägt. Für die Gestaltung eines solchen Ökosystems greifen die Forscher:innen in einem artenübergreifenden Entwurfsprozess auf Kenntnisse der Ökologie, der Architektur und der computergestützten Gestaltung zurück.

Weiterentwicklung des Ökosystems nach Fertigstellung der Gebäude ein

Gebäudehüllen sollen damit nicht länger als eine primär trennende Schicht zwischen Innen und Außen gesehen werden, sondern als neuartiger architektonischer Raum, der als gradueller Übergang zwischen Innen und Außen gestaltet ist und von einer Vielzahl an Lebensformen gemeinsam genutzt wird. Der „Ecolope“ kann eine begrünte Fassade oder ein begrüntes Dach sein, der als Teil des Ökosystems der Umgebung und damit als gemeinschaftlich genutzter Raum von Menschen, Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen gilt und sich als solcher ständig verändert. „Er lässt also Prozesse wie die Sukzession von Pflanzen- oder Tiergemeinschaften genauso wie Erosion und den Anflug von Material wie Staub, das zur Bodenbildung beiträgt. Diese Prozesse müssen in den Entwurfsprozess eingezogen werden“, erklärt Prof. Ludwig. „Architekturen, die mit Hilfe eines Multi-Spezies-Ansatzes, also eines Ansatzes, der verschiedene Arten mit einbezieht, entworfen werden, können ein wichtiger Schritt sein, um vorteilhafte Mensch-Natur-Beziehungen in Städten zu schaffen. Sie tragen zum menschlichen Wohlbefinden in der Stadt und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bei“, ist sich Prof. Weisser sicher.

Weitere Informationen:

Das Projekt ECOLOPES (ECOlogical enveLOPES) wird im Rahmen des Programms „Future Emerging Technologies – FET“ (Horizon2020) durch die EU gefördert.

Das im April 2021 begonnene interdisziplinäre Vorhaben zielt darauf ab, Architektur so zu konzipieren und zu gestalten, dass sich die gebaute Umwelt der Stadt und die Natur – einschließlich des Menschen – gemeinsam zu einem neuen, komplexeren und vielfältigeren System weiterentwickeln können. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein radikal neuer, integrierter ökosystemischer Ansatz verfolgt, der gleichermaßen Menschen, Pflanzen, Tiere und assoziierte Organismen wie Mikroben einbezieht. Um diese Vision in der Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen, entwickeln die an dem Projekt beteiligten Ökolog:innen, Architekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen und Softwareingenieur:innen aus fünf Ländern digitale Werkzeuge und Arbeitsabläufe, die die Integration ökologischen Wissens in den Entwurfsprozess von Bauwerken ermöglichen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Wolfgang W. Weisser
Technische Universität München
Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie
Tel: +49 8161 71 3496/95
wolfgang.weisser@tum.de

Originalpublikation:

Weisser, W. W., Hensel, M., Barath, S., Culshaw, V., Grobman, Y. J., Hauck, T. E., Joschinski J., Ludwig F., Mimet, A., Perini, K., Roccotiello, E., Schloter, M., Shwartz, A., Hensel, D. S., & Vogler, V. (2022). Creating ecologically sound buildings by integrating ecology, architecture and computational design. People and Nature, 00, 1–17. https://doi.org/10.1002/pan3.10411

Weitere Informationen:

https://www.ecolopes.org/
https://www3.ls.tum.de/toek/startseite/

https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/gebaeude-mit-oekologischer-huelle

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