„UrbanFoodPlus“: Ein Beitrag zur Ernährungssicherung westafrikanischer Städte

Aufgrund mangelnder Bodenfruchtbarkeit und geringer Wasserverfügbarkeit ist die Ernährungslage in Afrika schwieriger als auf jedem anderen Kontinent. Diesen Herausforderungen begegnen die Menschen aber auch mit Erfindungsreichtum und Improvisation, um jede verfügbare Ressource zu nutzen.

Von Politik und Wissenschaft jahrzehntelang vernachlässigt, trägt die intensive Bewirtschaftung städtischer und stadtnaher Gebiete wesentlich zur Einkommens- und Ernährungssicherung armer Bevölkerungsschichten bei, birgt aber zugleich Risiken für Gesundheit und Umwelt. Die verschiedenen Formen urbaner Landwirtschaft zu verstehen, zu fördern und zu optimieren, ist das Ziel des Projektes „UrbanFoodPlus“, das von der Universität Kassel und der Ruhr-Universität Bochum koordiniert wird.
Hier entwickeln Agrarwissenschaftler und Bodenkundler gemeinsam mit Ökonomen und Abwasseringenieuren sowie mit Ethnologen aus Göttingen und Geographen aus Freiburg interdisziplinäre Ansätze, um die Potenziale beim Anbau von Grundnahrungsmitteln und Gemüse sowie in der Tierhaltung in landwirtschaftlichen Nischen von Städten und Stadt-Peripherien in vollem Umfang zu erschließen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das insgesamt 7,5 Mio Euro umfassende Fünfjahresvorhaben über die ersten drei Jahre mit zunächst 4,3 Mio Euro.

90 Prozent des Gemüsebedarfs und bis zu einem Drittel des gesamten Lebensmittelbedarfs afrikanischer Städte werden heute bereits in den Städten selber produziert, betont Prof. Dr. Andreas Bürkert, der das Projekt „UrbanFoodPlus“ koordiniert: „Die Menschen nutzen Flächen neben Ausfallstraßen, zwischen Wohnblocks, in trockenen Flussbetten oder anderes Brachland. Das ist meist illegal, aber häufig arbeits- und flächeneffizienter als die klassische Produktion auf dem Land.“ Die Felder und Weiden erreichten Größen von 500 Quadratmeter bis zehn Hektar, seien für die Versorgung der Stadtbevölkerung enorm wichtig und dennoch oft von der Zerstörung bedroht: „Weil die rechtliche Grundlage fehlt, schicken die Behörden immer wieder Bulldozer und lassen Feldbestände niederwalzen“, merkt Bürkert an.

Oft seien die Produzenten Migranten, die das Knowhow für Ackerbau und Viehzucht vom Land mitbrächten, erklärt Bürkert weiter. Im Gegensatz zu den Landbauern seien sie aber viel näher an den Märkten, könnten Produktion und Ernte daher besser auf den Bedarf abstimmen und hätten keine Transportverluste. „Die Wissenschaft hat sich lange Zeit nur mit dem Hinterland beschäftigt und dabei die urbane Lebensmittelproduktion vernachlässigt, die zwar effizient ist, aber immer noch große Möglichkeiten der Ertragssteigerung bietet. Wir müssen dieses Potenzial nutzen, auch um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten“, erklärt Bürkert. Die UNO erwartet, dass sich die Bevölkerung Afrikas von derzeit einer Milliarde Menschen bis 2050 etwa verdoppelt.

Zusammen mit 14 afrikanischen Partnerinstitutionen und zwei Internationalen Agrarforschungsinstituten, deren Beiträge das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit zusätzlich 400.000 Euro fördert, entwickelt „UrbanFoodPlus“ ab Juni 2013 Maßnahmen, um die Lebensmittelproduktion in Städten und Stadtrandgebieten zu steigern, die Ressourceneffizienz zu erhöhen, die Ernährungslage zu verbessern und durch Zertifizierungsmaßnahmen Konsumenten- und Produzentenansprüche an Produktqualität zusammen zu bringen. Auf der Basis der erhobenen Daten wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Bauernorganisationen und lokalen Behörden die armutsbekämpfende Wirkung dieser Form der Landwirtschaft besser verstehen, um sie aus der Illegalität zu holen.

Erste Feldforschungen finden in Ouagadougou/Burkina Faso und Tamale/Ghana statt, sie werden dann ausgedehnt auf weitere Städte Westafrikas. Die Untersuchungen beinhalten kleinbäuerliche Anbauversuche, Befragungen von Erzeugern, Händlern und Vertretern der Verwaltung sowie umfangreiche Schulungsmaßnahmen zu einfachen technologischen Innovationen. Dazu gehört etwa der Einsatz von Holzkohlefiltern zur gleichzeitigen Wasserreinigung und organischen Düngung.

Das Vorhaben gliedert sich in mehrere Teilprojekte. Eine Arbeitsgruppe unter Bürkerts Leitung untersucht Biodiversität, Nährstoffeffizienz, Stoffflüsse und Zertifizierungsmaßnahmen im Gemüseanbau. Prof. Schlecht (Universität Kassel und Georg-August-Universität Göttingen), leitet eine Projektgruppe, die die Effizienz der Tierhaltungssysteme analysiert; das beinhaltet den Einsatz von Futtermitteln ebenso wie das Verwerten des anfallenden Dungs. Weitere Teilprojekte unter Leitung von Prof. Marschner und Prof. Wichern (beide Ruhr-Universität Bochum) bestimmen den Einfluss von Naturdüngern und Brauchwasser auf die Bodenqualität und Produkthygiene, Aspekte der Nahrungsmittelsicherheit, sozialpolitische Rahmenbedingungen (Prof. Schareika, Universität Göttingen) und mögliche volkswirtschaftliche Gewinne durch die vorgeschlagenen Verbesserungen (Prof. Löwenstein, Universität Bochum).
„Dabei wollen wir auch soziologische und wirtschaftspolitische Folgen berücksichtigen“, sagte Bürkert: „Wie senken diese städtischen Wirtschaftskreisläufe das Armutsrisiko? Welche Teilhabe finden Frauen und wie beeinflusst ihre Aufgabe in der Ernährungssicherung ihre Rolle in der Gesellschaft? Welche Bedeutung hat diese Art von Landwirtschaft gerade für ethnische Minderheiten in einer Gesellschaft?“ Hiermit beschäftigt sich insbesondere auch Prof. Drescher an der Universität Freiburg.

In die Organisation des Vorhabens ist das Exceed-Zentrum International Center for Development and Decent Work (ICDD) der Universität Kassel eng eingebunden.

Innerhalb des Projekts „UrbanFoodPlus“ wird eine internationale Graduiertenschule für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Deutschland, Europa und Afrika eingerichtet, bei der 15 Promotionsstipendien und sieben Promotionsstellen angesiedelt sind. Diese Graduiertenschule koordiniert Prof. Dr. Bernd Marschner, Leiter des Arbeitsbereichs Bodenkunde und Bodenökologie an der Universität Bochum. Das Kolleg dient somit auch dem wissenschaftlichen Austausch zwischen Afrika und Europa.

Das UrbanFoodPlus-Vorhaben ist Teil des Förderprogramms „GlobE – Globale Ernährungssicherung“ des BMBF.

Weitere Informationen unter: www.urbanfoodplus.org

Bildmaterial:

Bild von Prof. Dr. Andreas Bürkert (Foto: Bürkert) unter:
www.uni-kassel.de/uni/fileadmin/datas/uni/presse/anhaenge/2013/Buerkert.JPG

Bild von Prof. Dr. Bernd Marschner (Foto: Marschner) unter:
www.uni-kassel.de/uni/fileadmin/datas/uni/presse/anhaenge/2013/Marschner.JPG

Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Bürkert
Universität Kassel
Fachgebiet Ökologischer Pflanzenbau und Agrarökosystemforschung in den Tropen und Subtropen
Tel.: +49 5542 98 1228
E-Mail: buerkert@uni-kassel.de

Media Contact

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Weitere Informationen:

http://www.uni-kassel.de

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