Zusätzliche Hirnzellen zügeln Appetit

Neural-Injektionen sorgen für langfristige Gewichtsreduktion bei Mäusen


Mediziner haben eher zufällig bei der Erforschung eines Medikaments gegen eine seltene Muskelschwächeerkrankung ein Phänomen entdeckt: Die Injektionen haben bewirkt, dass die Mäuse mehr als 15 Prozent ihres Körpergewichts verloren. Nun hoffen Experten, dass diese Behandlungsmethode in Zukunft auch beim Menschen gegen Übergewicht verwendet werden kann, berichtet das Wissenschaftsmagazin Nature.

Die Entdeckung des Phänomens ist auf die Entwicklung eines Wirkstoffes gegen die Amyotrophe-Lateralsklerose, die auch Lou-Gehrig-Syndrom genannt wird, zurückzuführen. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer zunehmenden Degeneration des motorischen Nervensystems und zu Muskellähmungen. Das in den 90-er Jahren getestete Medikament namens Axokine hat allerdings nicht den gewünschten Effekt einer Muskelkontrolle gebracht, die Probanden berichteten jedoch von einem plötzlichen Appetitverlust. Biologen haben nun versucht, das Medikament gegen Fettleibigkeit einzusetzen. Der Erfolg war jedoch nur mäßig, daraufhin wurden die klinischen Tests eingestellt.

Ganz sind diese Substanzen aber nicht in Vergessenheit geraten. Das Forscherteam um Jeffrey Flier von der Harvard Medical School in Boston hat nun einen einzelnen Bestandteil des Medikaments genauer unter die Lupe genommen: den ziliaren Neurotrophischen Faktor (CNTF), der Nervenzellen zum Wachsen stimuliert. Die Forscher injizierten geringe Mengen des Bestandteils in Mäusehirne – und zwar in die Region des Hypothalamus. Zusätzlich wurde den Mäusen ein Färbemittel, das neu gewachsene Nervenzellen grün einfärbte, injiziert.

Anschließend erhielten die Tiere eine Nahrung, die aus großen Mengen Fett und Zucker bestand – ähnlich wie ein Mensch, der zwei BigMacs und ein supergroßes Cola täglich verzehrt. Mäuse, denen CNTF injiziert wurde, verloren innerhalb von zwei Wochen rund 16 Prozent ihres Körpergewichts. Sie konnten über einen Zeitraum von fünf Wochen das Gewicht halten. Was die Wissenschaftler aber besonders interessierte, war der Umstand, wie dies möglich war. Die behandelten Mäuse hatten fünfmal so viele grün gekennzeichnete Hirnzellen in ihren Hypothalamus wie jene, die nicht behandelt wurden. Das machte deutlich, dass die Behandlung das Zellwachstum im Hirn stimuliert. Warum dies zu einer Appetitabnahme führt, ist bis jetzt unklar. Möglicherweise hat dies mit dem Hormon Leptin zu tun, das den Appetit reguliert.

„Leptin wird schon seit geraumer Zeit untersucht“, bestätigt die Ernährungswissenschaftlerin Sabine Schulz von der Universität Giessen im pressetext-Interview. Allerdings ist die Rolle dieses Hormons nicht vollständig geklärt. Die Wissenschaftlerin verweist darauf, dass es zahlreiche Versuche mit dem Hormon gab, die sich als erfolglos erwiesen, als man feststellte, dass die meisten fettleibigen Menschen hohe Spiegel dieses Hormons aufweisen. „Fettleibige leiden unter einer so genannten Leptinresistenz“, erklärt die Forscherin. Der zugrunde liegende Mechanismus sei aber noch nicht aufgeklärt.

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Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

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