Proteinen in der lebenden Zelle auf der Spur
1,2 Mio. Euro Forschungsmittel und die Aussicht auf neue Wirkstoffe mit Hilfe der automatisierten Proteinlokalisierung
Biologen und Informatiker der Universität Bielefeld machen sich auf die Suche nach Verfahren einer automatischen Lokalisierung des „Proteoms“ (der Gesamtheit aller Proteine) in lebenden Zellen. Die Lokalisierung von Proteinen soll auch als Grundlage für die Erschließung neuer Wirkstoffe dienen. Das können medizinisch wirksame Substanzen sein, aber auch solche, die sich beispielsweise im Pflanzenschutz einsetzen lassen. Gefördert wird das Projekt für eine dreijährige Laufzeit mit 800.000 Euro vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und weiteren Mitteln aus der Industrie, insgesamt rund 1,2 Mio. Euro.
Bisher war es für ein so genanntes „Wirkstoff-Screening“ in der Regel nur möglich, einzelne Parameter der Lokalisierung des Proteoms zu erfassen. Die neue, in Bielefeld zum Einsatz kommende „Hochdurchsatz-Mikroskopie“ lässt nun erwarten, mehrere dieser Parameter gleichzeitig und kontinuierlich zu erfassen (High-Content Screening).
Lebende Zellen sind als außerordentlich komplexe Netzwerke von Membranen und Bereichen mit spezifischen biologischen Funktionen organisiert. Das Zellgeschehen ist hochdynamisch und daher einer ständigen Reorganisation unterworfen. Funktionen wie Zellteilung, Differenzierung oder spezifische Reaktionen auf die Umwelt erfordern komplexe Anpassungsleistungen der einzelnen Zelle. Solche Anpassungsleistungen sind mit einer Änderung in der Proteinausstattung und/oder -anordnung in einer Zelle verbunden.
Mit der Entschlüsselung des genetischen Codes von mittlerweile mehr als 100 Organismen weltweit und einer weiter extrem schnell wachsenden Zahl neuer Genomprojekte tritt die Frage nach der Funktion der Proteine in den Vordergrund. Dies ist das Arbeitsfeld der Proteomforschung. Die Lokalisierung eines unbekannten Proteins ist häufig der erste Schritt zum Verständnis seiner Funktion im komplexen Netzwerk der Zelle. So haben Proteine mit gleichen oder ähnlichen Funktionen oft auch die gleiche Lokalisierung in der Zelle. Die Bestimmung der Gesamtheit der Lokalisationsdaten für jedes einzelne Protein eines Genoms im Lauf der Entwicklung des jeweiligen Organismus wird einen wichtigen Beitrag für neuartige „systembiologische“ Ansätze liefern – von der Aufklärung der Wechselwirkungen zwischen Proteinen und Zellkomponenten bis zur computergestützten Modellierung der virtuellen Zelle.
Eine derart komplexe Fragestellung, die biologische, informatorische und methodisch-apparative Expertise erfordert, lässt sich nur durch die Bündelung der Kernkompetenzen verschiedener Disziplinen bearbeiten. Der biologischen Fragestellung widmet sich die Arbeitsgruppe von Hochschuldozent Dr. Karsten Niehaus. Die außerordentlich anspruchsvolle Aufgabe der automatischen Bildauswertung mit Hilfe neu zu entwickelnder Softwarealgorithmen liegt bei der Angewandten Informatik um Prof. Dr. Franz Kummert (Technische Fakultät). Für die technische Seite und den wissenschaftlichen Transfer der Projektergebnisse in die Industrie konnte das erst vor zwei Jahren gegründete Unternehmen Olympus BioSystems (Planegg) mit Dr. Konstantin Joanidopoulos als Verantwortlichem gewonnen werden. OBS übernimmt auch einen nicht unerheblichen Teil der Projektkosten. Den größten Einzelposten auf der Ausgabenseite bildet eine vollautomatisierte Mikroskopieplattform von Olympus, die für die Arbeitsgruppe von Karsten Niehaus aus den Fördermitteln beschafft werden konnte.
Kontakt:
Dr. Karsten Niehaus
Universität Bielefeld
Fakultät für Biologie
Telefon 0521/106 5631
Media Contact
Weitere Informationen:
http://Internet: www.uni-bielefeld.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
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