Vielfalt im Gehirn – Wie Millionen unserer Nervenzellen einzigartig werden

Unterschiedliche Genvarianten sorgen per Zufall für eine Vielfalt an Nervenzellen Bild: Universität Basel, Biozentrum

Das Gehirn ist das komplexeste Organ unseres Körpers und besteht aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen. Damit die Informationsströme fehlerfrei fliessen und alle Funktionen ausgeübt werden können, müssen die unterschiedlichen Zellen so programmiert sein, dass sie sich mit dem richtigen Interaktionspartner verbinden.

Welche Funktion die Nerven bekommt, legen die Gene fest. Die rund 30'000 verschiedenen Gene reichen jedoch allein nicht aus, um die nötige Vielfalt individueller Nervenzellen zu erzeugen.

Das Team um Prof. Attila Becskei vom Biozentrum der Universität Basel hat nun embryonale Stammzellen bei ihrer Reifung zu Neuronen untersucht und ein mathematisches Modell zur Entwicklung entworfen. Dieses veranschaulicht, wie die Vielfalt und Präzision der Neuronen durch Genvarianten, sogenannte Isoformen, erreicht wird.

Genvarianten ermöglichen Individualität

Die unterschiedlichen Varianten einzelner Gene ermöglichen, dass individuelle Nervenzellen mit einer grossen Vielfalt entstehen können. «Erst die Kombination der Isoformen macht es möglich, unterschiedliche Populationen von Neuronen aus einer recht begrenzten Anzahl an Genen zu erzeugen. Die Kombinationen entstehen bei der zufälligen Auswahl von Isoformen.»

Diese Zufälligkeit kann jedoch zu starken Schwankungen bei der Anzahl der exprimierten Isoformen in den einzelnen Zellen führen», so Becskei. Eine gleiche oder ähnliche Anzahl der exprimierten Gene in jeder Zelle ist jedoch wichtig, damit die Neuronen spezifische Interaktionen mit anderen Neuronen eingehen.

Exklusivität trotz Masse

Bei der Entwicklung von individuellen Nervenzellen handelt es sich also um eine Art Massenproduktion nach dem Zufallsprinzip. Wie am Fliessband entstehen Millionen von Nervenzellen. Wie kann Präzision dabei erreicht werden? Das Ergebnis hat die Forscher überrascht:

«Unser mathematisches Modell zeigt, dass sich kombinatorische Vielfalt und Präzision nicht ausschliessen, sondern Hand in Hand gehen», erklärt Becskei. Anders als bislang angenommen erhöhen sich gleichzeitig die Anzahl verschiedener Isoformen in einer Zelle und die exklusive Präzision während der Reifung der Nervenzellen. Kurz gesagt: Je mehr Isoform-Varianten, desto exklusiver und gleichmässiger ihre Verteilung in den einzelnen Nervenzellen.

Da jedes Gen unterschiedlich abgelesen wird und nicht alle gleichermassen Isoformen bilden, lassen sich die Ergebnisse nicht auf alle Gene übertragen. Zukünftig möchte das Forschungsteam von Becskei daher weitere Gene untersuchen und erforschen, mit welcher Strategie sie Individualität von Nervenzellen gewährleisten. Mit welcher Funktion die jeweilige Individualität einer Nervenzelle verknüpft ist, wäre eine weitere Fragestellung.

Prof. Dr. Attila Becskei, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 207 22 22, E-Mail: attila.becskei@unibas.ch

Takeo Wada, Sandrine Wallerich, and Attila Becskei
Stochastic gene choice during cellular differentiation
Cell Reports (2018), doi: 10.1016/j.celrep.2018.08.074

Media Contact

Heike Sacher Universität Basel

Weitere Informationen:

http://www.unibas.ch

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Pflegeroboter GARMI wird zum universellen Assistenten

Von Inselbegabungen zum Gesamtkonzept. Auf der Robotikmesse ICRA in Yokohama in Japan stellen die Geriatronik-Forscher der Technischen Universität München (TUM) vier neue Forschungsarbeiten vor – unter anderem über das Greifen…

Mehr Ausfallssicherheit für elektronische Bauteile

TU Graz eröffnet neues CD-Labor. Das „CD-Labor für Elektromagnetisch verträgliche robuste elektronische Systeme“ erforscht die negativen elektromagnetischen Einflüsse auf elektronische Bauteile in Produktion und Betrieb, um Ursachen für Ausfälle zu…

Auf der Suche nach dem mikrobiellen Schatz

HIPS-Forschende entdecken neue Bakterienfamilie mit hohem pharmazeutischem Potenzial. Die meisten in der Humanmedizin verwendeten Antibiotika haben ihren Ursprung in Naturstoffen, die von Bakterien und anderen Mikroben produziert werden. Bisher unbeschriebene…

Partner & Förderer