Entwicklung neuer selektiver Estrogenrezeptor-Modulatoren

Modell für die Bindung neuartiger SERM-Antiestrogene an den Östrogenrezeptor

Medizinische Chemiker der Freien Universität (FU) untersuchen die Struktur-Wirkungsbeziehungen neuartiger hormonell wirksamer Verbindungen. Im Mittelpunkt der Arbeiten, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Forschungskommission der FU gefördert werden, steht die Entwicklung selektiver Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) zur Therapie von Mammatumoren.

Modell für die Bindung neuartiger SERM-Antiestrogene an den Östrogenrezeptor
Jährlich erkranken allein in Deutschland über 40.000 Frauen an Brustkrebs. Die 5-Jahresüberlebensrate könnte deutlich gesteigert werden, wenn es Alternativen zu den bisher verwendeten Medikamenten und Therapieschemata geben würde. Wie viele andere Gewebe im Körper, kann das Wachstum von Mammatumoren durch steroidale Estrogene beeinflusst werden. Das Wissen über die Wirkungsweise dieser Hormone hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Zusammen mit den Gestagen regulieren Estrogene nahezu alle Reproduktionsvorgänge bei der Frau. Sie entfalten jedoch auch eine Reihe sexual-unspezifischer Wirkungen. So fördern sie die Reifung der Knochen, erweitern kleine Blutgefäße und haben sowohl neuro- als auch kardioprotektive Effekte. In der Regel ist ihre Wirkung rezeptorvermittelt. Um aktiv werden zu können, müssen sie also an spezifische Estrogenrezeptoren (ER) ankoppeln. Im menschlichen Körper sind bisher zwei Estrogenrezeptoren (ERa und ERb) bekannt, die in den Zielgeweben in unterschiedlicher Verteilung vorliegen können.

Zur Entwicklung selektiv wirkender Tumortherapeutika können diese Rezeptoren als Carrier eingesetzt werden. Durch die Verknüpfung der Wirkprofile von Zytostatika (z.B. des Cisplatins) und echter Antiestrogene, wäre die Entwicklung einer neuen Generation hochspezifischer Therapeutika möglich. Erste Wirkstoffe dieser Substanzklasse waren in der Lage, im Tierversuch (Maus) das Wachstum hormonabhängiger Mammatumore komplett zu unterbinden.

Neben diesen Wirkstoffen entwickelt die Arbeitsgruppe um Prof. Ronald Gust am Institut für Pharmazie der FU neuartige SERM-Antiestrogene, die mit dem körpereigenen Estrogen um die Rezeptorbindung konkurrieren. Diese Substanzen sollen als gewebsspezifische Therapeutika dienen, die zwar die positiven, protektiven Effekte der Estrogene entfalten, aber keine wachstumsfördernden (proliferativen) Auswirkungen auf Brustgewebe oder Gebärmutterschleimhaut haben. Derartige Wirkstoffe wären zur vorbeugenden Behandlung des Mammakarzinoms von großem Interesse.

Besonders vielversprechend als Leitstrukturen für SERM-Antiestrogene sind die im Hause entwickelten Typ-II-Estrogene. Zu dieser Gruppe gehören heterozyklische Verbindungen des Piperazin-, Imidazolin- und Imidazoltyps. Mit Hilfe von Molecular Modelling Studien wurde ein Bindungsstellenmodell für Typ-II-Estrogene entwickelt. Es konnte gezeigt werden, dass sich – entgegen der bisherigen Annahme – nicht alle hormonell wirksamen Substanzen in identischer Weise an den Estrogenrezeptor binden, sondern dass dieser verschiedene Anker besitzt, an denen die kleinen Moleküle ankoppeln können. Entsprechend scheint auch die Genaktivierung des ER in unterschiedlicher Weise zu erfolgen.

Derzeit werden weitere Modellverbindungen synthetisiert und deren dreidimensionale Struktur mit spektroskopischen Methoden aufgeklärt. Die Bindung der Wirkstoffe wird auf molekularer Ebene im Luciferase-Assay (an der MCF7-2a-Zelllinie) verfolgt. Zusätzlich werden Estrogenrezeptorstudien im Ganz-Zell-Assay und an isolierten tierischen Uterusgewebe (Kalb) durchgeführt.

Catarina Pietschmann

Nähere Informationen erteilt Ihnen gern:
Univ.-Prof. Dr. Ronald Gust, Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin, Königin-Luise-Str. 2 u. 4, 14195 Berlin, Tel.: 030 / 838-53272, Fax: 030 / 838-53854, E-Mail: rgust@zedat.fu-berlin.de

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