Genetik – Gefährliche DNA-Schäden signalisieren

Das Erbmolekül DNA enthält die genetische Information, die wiederum die Bauanleitung für Proteine, also die wichtigsten Funktionsträger der Zelle, vermittelt. Fehler in der DNA können die Protein-Synthese beeinträchtigen und damit schwer wiegende Folgen für die Zelle und den Organismus nach sich ziehen. Deshalb greifen bei DNA-Schäden mehrere hochpräzise Reparaturmechanismen. Ein Team um den LMU-Forscher Professor Klaus Förstemann hat nun in der Fruchtfliege Drosophila eine neuartige zelluläre Reaktion nachgewiesen – als Antwort auf gefährliche Doppelstrang-Brüche.

Gene potentiell im falschen Kontext

Treten Fehler in einem DNA-Strang auf, dient der – komplementär aufgebaute – zweite Strang als Reparaturvorlage. Bei einem Doppelstrang-Bruch aber ist die Kontinuität der Information bedroht. „Diese Läsionen sind so gefährlich, weil es leichter zu einer fehlerhaften Reparatur kommen kann, wodurch möglicherweise Teile des Erbguts in einen falschen Kontext geraten“, sagt Förstemann. „Wir konnten jetzt auch bei Drosophila zeigen, dass ein solcher Schaden die Produktion von siRNAs auslöst.“ Die RNA ist eine der DNA nahe verwandte Nukleinsäure.

Die siRNAs oder „small interfering“ RNA-Moleküle treten bei einer Vielzahl zellulärer Prozesse auf, etwa der Abwehr von Krankheitserregern und der Regulation der genetischen Aktivität – und haben möglicherweise auch therapeutisches Potential. Neu ist ihre Rolle bei der DNA-Reparatur: Wie die Analyse der genauen Verteilung der siRNAs zeigte, beeinflusst die Art des Schadens ihre Produktion. Handelt es sich um ein aktiv transkribiertes Gen, dessen Information also gerade in ein Protein übertragen werden soll, werden besonders viele siRNAs gebildet. Die geschädigte DNA dient bei der Synthese dieser siRNAs als Vorlage.

Punktgenaue Bruchlandung

Dem Forscherteam gelang der Nachweis, dass alle siRNAs aus der Region zwischen dem Promoter, also dem Startpunkt der Genabschrift, und dem Doppelstrang-Bruch stammen. Die Abschrift eines Gens erfolgt in einzelsträngige RNA, während die siRNAs hier von einem doppelsträngigen Vorläufer abgeleitet sind. Dieser inkorporiert wohl einen Teil der beschädigten RNA-Transkripte als einen Strang. „Die doppelsträngige RNA wird von der Zelle dann in siRNAs zerlegt, die wiederum als Lotsen für einen Abbaumechanismus dienen der die potentiell fehlerhafte Genabschrift aus dem Verkehr zieht“, sagt Förstemann.

Die Forscher vermuten nun, dass die siRNA-Antwort auf einen Doppelstrang-Bruch Teil eines weit komplexeren Mechanismus sein könnte. Vorerst ist dank Arbeiten aus anderen Labors aber nur bekannt, dass entsprechende Mechanismen auch in Pflanzen, in Schimmelpilzen sowie in menschlichen Zellen auftreten. „Welche Funktionen die siRNAs bei der Erkennung und Reparatur des DNA-Doppelstrang-Bruchs haben, ist noch nicht abschließend geklärt“, so Förstemann. „Es handelt sich aber mit Sicherheit um einen in der Evolution hoch konservierten Mechanismus.“ suwe

Kontakt:
Professor Klaus Förstemann
Genzentrum und Department für Biochemie der LMU
Tel.: 089 / 2180 – 76912
E-Mail: foerstemann@genzentrum.lmu.de
Web: http://www.foerstemann.genzentrum.lmu.de

Publikation:
A small RNA response at DNA ends in Drosophila
Katharina Michalik, Romy Böttcher and Klaus Förstemann
Nucleic Acids Research, 30. Juli 2012

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Luise Dirscherl idw

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