Evolution bei Fröschen der Tropen

Tropische Frösche dokumentiert Michael Schmid in einem neuen Buch. Hier zu sehen: Eleutherodactylus pantoni (Jamaica).<br>Foto: Michael Schmid<br>

In den tropischen Regionen von Südamerika, Mittelamerika und der Karibik lebt etwa die Hälfte aller Amphibien-Arten, die es weltweit gibt. Dazu gehören auch Frösche, die bei ihrer Fortpflanzung nicht auf Wasser angewiesen sind. Sie legen ihre Eier auf dem Trockenen ab, und daraus schlüpfen direkt die Jungtiere, ohne Umweg über das Kaulquappen-Stadium.

Wegen dieser Eigenheit bekam die Froschgruppe den Namen Terrarana verpasst („Erdfrösche“). Sie kommt in den Tropen der Neuen Welt mit fast 900 Arten vor und macht damit 27 Prozent der dort lebenden Froscharten aus. Eine enorme Vielfalt – keine andere Wirbeltiergruppe auf der Erde hat derart viele Arten.

Viel Erfahrung mit Fröschen und Chromosomen

Für das Erbgut der Froschgruppe Terrarana interessiert sich Professor Michael Schmid vom Biozentrum der Uni Würzburg schon seit 25 Jahren. Elf Forschungsreisen in die Tropen hat er in dieser Zeit mit seinen Kollegen Claus Steinlein und Wolfgang Feichtinger unternommen.

Noch längere Erfahrung hat Schmid mit der Untersuchung von Chromosomen der Wirbeltiere, einschließlich des Menschen: Damit begann er vor 33 Jahren. Immer setzte er dabei die jeweils neuesten Analysetechniken ein. In seinem Labor im Institut für Humangenetik wurden zudem viele Techniken zur Charakterisierung von Wirbeltier-Chromosomen entwickelt oder verbessert. Davon zeugen über 350 wissenschaftliche Veröffentlichungen.

Monumentales Werk veröffentlicht

Vor zehn Jahren begann Schmid zudem eine intensive Zusammenarbeit mit dem kanadischen Biologen James Bogart und dem US-amerikanischen Evolutionsforscher Blair Hedges. Die Ergebnisse dieser Kooperation sind jetzt in einem 568 Seiten starken Buch in englischer Sprache erschienen. „Ein wahrhaft monumentales Werk“, so Holger Höhn, der frühere Leiter des Instituts für Humangenetik. „Es enthält mehr als 2000 Abbildungen und dokumentiert die umfangreichste Analyse, die jemals am Erbgut von Wirbeltieren durchgeführt wurde.“

Chromosomen-Stammbaum konstruiert

Schmid und seine Kollegen haben die Chromosomen von 261 Terrarana-Arten mit vielen Techniken untersucht. Darüber hinaus haben sie auch denjenigen Teil des Erbguts analysiert, der in den Mitochondrien vorliegt – das sind spezialisierte „Mini-Organe“ in der Zelle. Durch den Vergleich der beiden Erbgut-Typen konnten sie schließlich einen vier Seiten umfassenden „Chromosomen-Stammbaum“ für die Terrarana-Frösche konstruieren.

„An Hand dieses Stammbaums lassen sich die verschiedensten Typen von Chromosomen-Veränderungen als Abbild einer evolutionären Kette verstehen, die sich über 60 Millionen Jahre erstreckt“, erklärt Höhn die Bedeutung dieser Forschung. „Allgemein gültige, auch für uns Menschen zutreffende Prinzipien der Chromosomen-Evolution sowie die Entstehung von Geschlechtschromosomen werden dabei offensichtlich und nachvollziehbar – ein unschätzbarer Gewinn für das Verständnis der mikroskopischen Organisation und Funktion des Erbgutes aller Wirbeltiere.“

Von höchster Qualität seien in dem Buch nicht nur die Texte, sondern auch die Abbildungen der Chromosomen, die verschiedenen Färbemethoden unterworfen wurden. „Einen besonderen ästhetischen Genuss bieten die Farbfotos der einzelnen Froscharten“, sagt Höhn.

Virtuell vorm Aussterben bewahrt

Trotzdem hat Höhn auch Grund zur Klage: „Die fortschreitende ‚Zivilisation‘ raubt unserem Planeten jährlich mehrere hundert Amphibien-Arten“, bedauert er. Unschätzbar sei darum der Verdienst von Michael Schmid und seinen Kollegen. Denn sie haben die enorme Vielfalt der Chromosomen und Erscheinungsbilder dieser bedrohten Wirbeltiere für die nachfolgenden Generationen dokumentiert – und damit zumindest virtuell vorm Aussterben bewahrt.

M. Schmid, J.P. Bogart, S.B. Hedges (Hrsg.): “The Chromosomes of Terraranan Frogs. Insights into Vertebrate Cytogenetics”, Karger-Verlag, Basel 2010, 568 Seiten, 2071 Abbildungen, 590,50 Euro, ISBN: 978-3-8055-9607-7.

Media Contact

Gunnar Bartsch idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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