Mehr Kapazität für den "Wissenschafts-Kühlschrank"

Es kann Ballons in große Höhen tragen und Stimmen wie die von Micky Maus klingen lassen – Helium vermag aber noch weitaus mehr. Im Forschungsalltag ist das Edelgas ein wahres Multitalent. Besonders begehrt ist es in flüssiger Form als Kühlmittel. Damit es als solches eingesetzt werden kann, muss es allerdings erst verflüssigt werden. Das geschieht bei Temperaturen von 4,2 Kelvin (-269 °C) in besonderen Verflüssigungsanlagen.

Die einzige dieser Art in Thüringen existiert seit 1976 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie versorgt mittlerweile beinahe alle naturwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen im Großraum Jena und auch andere Institute in Thüringen. DD D ieser Tieftemperaturservice der Physikalisch-Astronomischen Fakultät wird gerade an die ständig steigende Nachfrage angepasst und mit 1,2 Millionen Euro Fördermitteln vom Land Thüringen erweitert. „Damit können wir die Kapazitäten der Verflüssigungsanlage von derzeit 40.000 Liter pro Jahr bald auf etwa das Doppelte erhöhen“, sagt Prof. Dr. Paul Seidel. Der Direktor des Instituts für Festkörperphysik, dem der Tieftemperaturservice angegliedert ist, geht davon aus, dass die Montagearbeiten im November erfolgreich abgeschlossen sein werden.

„Es gibt außer Helium kein anderes flüssiges Medium was derart tiefe Temperaturen erreicht“, erklärt Matthias Thürk vom Tieftemperaturlabor der Universität Jena. Dort messen die Wissenschaftler kleinste Magnetfelder mit Hilfe hochempfindlicher Sensoren, den sogenannten SQUIDs (Supraleitende Quanteninterferenz-Detektoren). „Diese Supraleiter funktionieren nur bei extrem tiefen Temperaturen“, so Laborleiter Thürk, „dafür brauchen wir das flüssige Helium.“ Dieses wird in superisolierte Behälter abgefüllt und an die jeweiligen Institute geliefert.

Während die Verflüssigung noch 1913 eine nobelpreiswürdige Leistung war, ist Flüssighelium heute ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen Forschung. Die Dimensionen, in die Wissenschaftler dabei vorstoßen, sind für die menschlichen Sinne kaum mehr zu fassen. Die Einsatzgebiete sind breit gefächert. So wird flüssiges Helium in der Medizin als Kühlmittel bei der Messung sehr kleiner biomagnetischer Signale von Herz und Gehirn sowie sehr starker Magnetfelder bei der Kernspintomographie (MRT) eingesetzt. Auch bei der Beschleunigung von Materie nahe der Lichtgeschwindigkeit im neuen Teilchenbeschleuniger des Europäischen Kernforschungszentrums (CERN) in Genf wird Flüssighelium verwendet.

Im Laufe der Jahre sind einige Jenaer Dauernutzer des Heliums über unterirdische Rohre mit der Verflüssigungsanlage verbunden worden. Dadurch können sie das nach Verbrauch wieder gasförmige Helium unkompliziert und zügig über die Rohre zur Verflüssigungsanlage zurückschicken. Dort wird es in die Anlage eingespeist und der Kreislauf beginnt von neuem.

„Auf dem freien Markt ist Flüssighelium sehr teuer“, erzählt Matthias Thürk, „da ist unsere Anlage hier in Jena für die thüringischen Forschungsinstitute äußerst attraktiv.“ Und auch Institutsdirektor Paul Seidel freut sich: „Gerade in diesem Jahr, in dem die Heliumverflüssigung ihren 100. Geburtstag feiert, ist die Modernisierung der Jenaer Anlage ein ganz besonderer Gewinn.“

Kontakt:
Prof. Dr. Paul Seidel / Matthias Thürk
Institut für Festkörperphysik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Helmholtzweg 5, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 947410
E-Mail: Paul.Seidel[at]uni-jena.de

Media Contact

Manuela Heberer idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Förderungen Preise

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Wie die Galvanotechnik durch Digitalisierung effizient wird

SurfaceTechnology GERMANY… Digitalisierung und Hartverchromung aus Chrom(III)-Elektrolyten: Das sind die beiden großen Themen, mit denen sich Forscherinnen und Forscher von der Abteilung Galvanotechnik am Fraunhofer IPA derzeit beschäftigen. Ihre Erkenntnisse…

Ersatz für Tierversuche – jetzt ganz ohne Tierleid

Erstes Gewebe-Modell der Leber völlig ohne Materialien tierischer Herkunft hergestellt. Wissenschaftler*innen der TU Berlin haben mit Hilfe von 3D-Biodruck erstmals ein Modell der Leber aus menschlichen Zellen hergestellt, ohne dabei…

Neue Wege zur mentalen Gesundheit

Magnetspule am Kopf sorgt für antidepressive Effekte… In der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) wird derzeit eine Studie zur Erforschung der antidepressiven Wirkung einer…

Partner & Förderer