Mehr Produktivitätswachstum durch weniger Kündigungsschutz

Dass das Niveau des Kündigungsschutzes unmittelbare Auswirkungen auf unternehmerisches Verhalten hat, leuchtet ein. Im Gegensatz zu den Beschäftigungseffekten des Kündigungsschutzes sind die Konsequenzen für die betriebliche und gesamtwirtschaftliche Produktivität aber noch weitgehend unerforscht. Prinzipiell könnten sie sowohl negativer als auch positiver Natur sein.

In negativer Hinsicht kann zu viel Kündigungsschutz die Firmen daran hindern, flexibel auf Nachfrageschwankungen und Strukturwandel zu reagieren oder die Risiken zu bewältigen, die mit der Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte verbunden sind. Nicht von ungefähr setzen Unternehmen in Ländern mit geringem Kündigungsschutzniveau, wie z.B. in Großbritannien oder den USA, deutlich stärker auf die Entwicklung neuer Technologien und verfügen über eine oft größere Dynamik.

Zugleich kann ein überhöhtes Ausmaß an Kündigungsschutz negative Arbeitsanreize für die Beschäftigten zur Folge haben und ihre Produktivität herabsetzen, wie das IZA jüngst zeigen konnte (http://ftp.iza.org/dp3435.pdf). Ebenso sind aber auch positive Produktivitätseffekte eines ausgebauten Kündigungsschutzes denkbar, denn bei einer tendenziell längerfristigen Bindung der Arbeitnehmer an die Firmen steigen für beide Seiten die Anreize, in firmenspezifisches Humankapital, also z.B. in Weiterbildungsmaßnahmen, zu investieren.

Ob in der Praxis die positiven oder negativen Produktivitätseffekte überwiegen, untersuchte nun eine Forschergruppe um IZA-Fellow Luca Nunziata (Universität Padua). Gemeinsam mit den OECD-Experten Andrea Bassanini und Danielle Venn wertete Nunziata umfangreiche Daten aus den OECD-Ländern für den Zeitraum 1982 bis 2003 aus. Erstmals konnten dabei auch branchenspezifische Analysen vorgenommen werden. Ausmaß und Veränderung des Kündigungsschutzniveaus berücksichtigten die Forscher anhand von OECD-Indikatoren, die jedem Staat einen Wert auf einer Skala von 0 (kaum Kündigungsschutz) bis 6 (sehr starker Kündigungsschutz) zuweisen.

Für Branchen mit ausgeprägtem Wettbewerbsdruck, starkem Strukturwandel oder großer Innovationsabhängigkeit ermittelt die Studie einen auffallend negativen Zusammenhang zwischen Produktivitätswachstum und Ausmaß des gesetzlichen Kündigungsschutzes. Rein rechnerisch würde hier ein Rückgang des Kündigungsschutzniveaus um nur einen Punkt auf der Skala zu einem Produktivitätsschub von bis zu 0,40 Prozentpunkten führen. Die Veränderung des Produktivitätswachstums lässt sich dabei insbesondere auf Reformen des Kündigungsschutzes für reguläre Beschäftigungsverhältnisse zurückführen, während die Auswirkungen liberaler Regelungen bei der Zeitarbeit weitgehend zu vernachlässigen sind.

„Die Studie zeigt, dass gerade Deutschland dringend eine Reform des Kündigungsschutzes braucht. Zeitarbeit und befristete Beschäftigung sind hierfür kein Ersatz. Wenn man den Kündigungsschutz durch gesetzlich klar geregelte Ansprüche auf faire Abfindungszahlungen ersetzt, schafft das den nötigen Handlungsspielraum für die Unternehmen und sorgt für mehr Produktivitätswachstum. Zugleich entstehen Qualifizierungsanreize auf betrieblicher Ebene, und die Interessen der Arbeitnehmer werden besser geschützt als durch die heutige, unnötig komplizierte Rechtslage“, so IZA-Experte Werner Eichhorst.

Der Volltext der englischsprachigen Studie ist kostenlos über die IZA-Homepage abrufbar:

Andrea Bassanini, Luca Nunziata, Danielle Venn:
Job Protection Legislation and Productivity Growth in OECD Countries
IZA Discussion Paper No. 3555 – http://ftp.iza.org/dp3555.pdf
Pressekontakt:
Dr. Werner Eichhorst
Stellv. Direktor Arbeitsmarktpolitik
IZA, Postfach 7240, 53072 Bonn
Tel.: (0228) 3894-531
E-Mail: eichhorst@iza.org

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Holger Hinte idw

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