Kraftwerke mit begrenzter Laufzeit – Altersbedingte Abnahme der Mitochondrienfunktion bei Fischen

Der Alterungsprozess des türkisen Prachtgrundkärpflings (Nothobranchius furzeri); neuer Modellorganismus für die Altersforschung am Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena. Gezeigt sind Fischmännchen im jungen, mittleren und hohen Alter. Foto: N. Hartmann / FLI<br>

Wissenschaftlern des Leibniz-Institutes für Altersforschung in Jena gelang zusammen mit Kollegen der Friedrich-Schiller-Universität und Goethe-Universität (Frankfurt/M.) der Nachweis, dass der Alterungsprozess von N. furzeri eng mit der Funktion der Mitochondrien (Kraftwerke der Zelle) verbunden ist. Mit dem Alter nahm die Menge an mitochondrialer DNA ab und die Mitochondrienfunktion verringerte sich. In der aktuellen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift “Aging Cell“ (May 31, 2011) wurden diese Ergebnisse publiziert.

Mitochondrien sind kleine Zellorganellen, die auch als „Kraftwerke der Zelle“ bezeichnet werden. Für die Bereitstellung von Energie für alle Stoffwechselvorgänge in den Zellen sind sie von essentieller Bedeutung; d.h. ohne die durch sie vermittelte ausreichende Bereitstellung von Adenosintriphosphat (ATP), dem „biochemischen Kraftstoff“ der Zellen, ist ein (unser) Leben nicht möglich.

Jedes dieser Zellkraftwerke besitzt ein eigenes Genom, auch als mitochondriale DNA (mtDNA) bezeichnet, und verfügt über einen eigenen Teilungszyklus, mit dem sie sich schnell den Belastungen der Zelle anpassen können. Je größer die Aktivität einer Zelle ist, umso zahlreicher sind die Mitochondrien in der Zelle vertreten. Wird die Leistungsfähigkeit dieser Kraftwerke gestört, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Zelle selbst und das Organ, dem sie angehört, sondern auch auf das ganze Individuum. Mitochondriale Störungen führen zu Fehlfunktionen und damit zu krank machenden Prozessen in allen Bereichen des Körpers, so dass dem Schutz der Mitochondrien eine besondere Bedeutung zukommt.

Welche Rolle die Mitochondrien beim Alterungsprozess von Nothobranchius furzeri, dem türkisen Prachtgrundkärpfling, spielen und ob womöglich Veränderungen in der mtDNA die Ursache für die Kurzlebigkeit des Fisches (~ 3 Monate) sind, untersuchten jetzt die Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena zusammen mit Kollegen der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Goethe-Universität in Frankfurt/Main.

Der ursprünglich aus Afrika stammende Fisch dient den Wissenschaftlern am FLI als Modellorganismus für die Erforschung des Alterns. Seine Kurzlebigkeit ermöglicht es, die biologischen Veränderungen beim Altern in kürzester Zeit zu beobachten. Im Gegensatz zu anderen kurzlebigen Modellorganismen, wie z.B. der Fruchtfliege Drosophila oder dem Fadenwurm C. elegans, steht er dem Menschen aber evolutionär sehr viel näher.

„Es wird bereits seit langem vermutet, dass Mitochondrien einen entscheidenden Einfluss auf Alterungsprozesse und typische Alterskrankheiten haben, aber auch eine wichtige Rolle bei lebensverlängernden Prozessen spielen könnten“, berichtet Prof. Christoph Englert vom Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena. „Da die Mitochondrien als Zellkraftwerke in den Energiemetabolismus der Zellen direkt eingebunden sind, lag es nahe, bei Nothobranchius furzeri nachzuschauen, ob trotz oder gerade wegen seiner sehr kurzen Lebensspanne, Mitochondrien beim Alterungsprozess eine Rolle spielen“.

Dazu war es zunächst erforderlich, die mtDNA von N. furzeri vollständig zu sequenzieren. Es zeigte sich, dass N. furzeri mit 19,527 Basenpaaren (bp) ein größeres mitochondriales Genom besitzt als die meisten anderen Wirbeltiere inklusive des Menschen (Größe zwischen 16,000 und 17,000 bp). Während die Anzahl und Anordnung der mitochondrialen Gene auch bei N. furzeri sehr konserviert sind, befinden sich die zusätzlichen DNA-Sequenzen ausschließlich in der sogenannten Kontrollregion.

Beim Menschen ist bekannt, dass bestimmte Abschnitte der mitochondrialen DNA mit dem Alter verloren gehen können und es somit zu Funktionseinbußen der Mitochondrien kommen kann. „Wir haben bei N. furzeri keine Hinweise auf solche altersbedingten Deletionen (Abschnittsverluste) gefunden“, so Dr. Nils Hartmann, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe von Prof. Englert. „Allerdings konnten wir nachweisen, dass die Gesamtmenge an mitochondrialer DNA in verschiedenen Geweben des Fisches mit dem Alter abnimmt“, so Dr. Hartmann weiter. „Eine Konsequenz davon könnte die beobachtete altersbedingte Verringerung der Mitochondrienfunktion sein.“

„Interessant ist nun die Frage, was passiert, wenn man die Menge an mitochondrialer DNA konstant hält“, merkt Prof. Englert an. „Verbessert sich dann auch die Mitochondrienfunktion oder hat das vielleicht sogar einen positiven Effekt auf die Lebensspanne des Fisches?“ Erste Ansätze dazu werden derzeit erarbeitet und lassen in Kürze auf weitere spannende Ergebnisse hoffen.

Kontakt:

Dr. Kerstin Wagner
Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
Beutenbergstr. 11, 07745 Jena
Tel.: 03641-656378, Fax: 03641-656335, E-Mail: koordinator@fli-leibniz.de
Originalpublikation:
Hartmann N, Reichwald K, Wittig I, Dröse S, Schmeisser S, Lück C, Hahn C, Graf M, Gausmann U, Terzibasi E, Cellerino A, Ristow M, Brandt U, Platzer M, Englert C: Mitochondrial DNA copy number and function decrease with age in the short-lived fish Nothobranchius furzeri. Aging Cell. (2011), DOI: 10.1111/j.1474-9726.2011.00723.x.

Hintergrundinfo

Mitochondrien werden als „Kraftwerke“ der Zelle bezeichnet, da sie die gebundene Energie der Nahrung in eine für die Zelle verwertbare Form, dem Adenosintriphosphat (ATP), umwandeln; ein wichtiger Regulator in allen energieliefernden Stoffwechselprozessen von Mensch und Tier.
In allen eukaryotischen Zellen, die Sauerstoff verbrauchen, kommen Mitochondrien vor. Je nach Zelltyp kann ihre Zahl pro Zelle stark variieren; stoffwechselaktive Zellen enthalten besonders viele Mitochondrien.

Die Mitochondrien besitzen eine Doppelmembran und ein eigenes mitochondriales Genom (mitochondriale DNA, mtDNA). Anders als die DNA im Zellkern ist die DNA der Mitochondrien ringförmig. Sie umfasst beim Menschen 37 Gene, die für 13 Proteine, 22 tRNAs und 2 rRNAs kodieren. Die mtDNA wird maternal (mütterliche Herkunft) vererbt. Veränderungen im Genom werden zur Untersuchung von Abstammungslinien der Arten verwendet, ebenso zur Forschung verschiedener ethnischen Gruppen des Menschen.

Der türkise Prachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri) stammt ursprünglich aus Afrika und lebt dort in saisonalen Gewässern. Seine Lebensdauer beträgt etwa 3-8 Monate und ist an die unterschiedlich langen Regenzeiten angepasst. Lang- und kurzlebige Varianten behalten ihre unterschiedlichen Lebensspannen auch unter Zuchtbedingungen im Aquarium bei.

Am Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena wird der N. furzeri als neuer Modellorganismus für die Altersforschung eingesetzt und untersucht, welche Gene das Altern beeinflussen und welche Faktoren oder Substanzen das Leben dieser Fische verlängern bzw. das Auftreten alterstypischer Krankheiten aufschieben können.

Initiiert durch die Förderinitiative „Systembiologie für die Gesundheit im Alter – GerontoSys“ des BMBF wurde Ende 2009 das Jena Centre for Systems Biology of Ageing (JenAge) in Jena gegründet. Das Forschungsprojekt „Systembiologie von mildem Stress beim gesunden Altern – ein Multi-Spezies-Ansatz“ untersucht dabei den Einfluss von kleinen Störungen („milder Stress“) auf verschiedene Organismen, wie z.B. den Fadenwurm (C. elegans), kurzlebigen Fisch N. furzeri, Zebrafisch (D. rerio), die Maus, kultivierte menschliche Zellen und Gewebeproben menschlicher Probanden. Die beteiligten Wissenschaftler kommen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU), dem Universitätsklinikum (UKJ), dem Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) und dem Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI). Die vorliegende Arbeit wurde z.T. von JenAge finanziert. Nähere Informationen unter http://www.jenage.de.

Das Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena ist das erste deutsche Forschungsinstitut, das sich seit 2004 der biomedizinischen Altersforschung widmet. Über 330 Mitarbeiter aus 25 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alterungsprozessen und altersbedingten Krankheiten. Näheres unter http://www.fli-leibniz.de.

Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 87 Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU): Näheres unter http://www.uni-jena.de

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