Wenn Stillsitzen für Kinder zur Qual wird

Es scheint eine Mode-Diagnose zu sein – ADHS -Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätssyndrom – lautet immer häufiger die Antwort vieler Ärzte auf Fragen besorgter Eltern.

Doch die scheinbare Zunahme der Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen täuscht: „ADHS ist zu 80 Prozent genetisch bedingt und tritt daher heute nicht öfter auf als früher“, erklärt dazu Prof. Dr. Bernhard Blanz, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Jena.

„Allerdings hat sich in den letzten 20 Jahren das Bewusstsein der Öffentlichkeit und vieler Ärzte für diese Erkrankung geschärft, so dass betroffene Kinder heute eine größere Chance auf eine entsprechende Behandlung haben.“ Betroffen sind in Deutschland nach Schätzungen etwa 3 bis 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die so starke ADHS-Symptome entwickeln, dass eine ärztliche Betreuung nötig wird.

Wann genau dies der Fall ist, und welche Möglichkeiten die Medizin heute für Diagnose und Therapie zu bieten hat, sind Themen des am 7. und 8. September in Jena stattfindenden Symposiums zu ADHS, zum dem über 100 Teilnehmer aus dem Mitteldeutschen Raum erwartet werden.

„Anliegen dieser wissenschaftlichen Tagung ist es, die aktuellen Entwicklungen vor allem im Bereich der Psychopharmako-Therapie bei ADHS vorzustellen“, erläutert Kinderpsychiater Bernhard Blanz. „Es gibt inzwischen Medikamente, die eine längere Konzentrationsphase z.B. in der Schule ermöglichen sollen“, so Blanz zu den vorgestellten Neuerungen. „Zudem möchten wir unseren nicht auf ADHS spezialisierten Kollegen in den Praxen, die oft zuerst mit dem Problemkind konfrontiert werden, das notwendige Rüstzeug für eine korrekte Diagnose und Behandlung mit an die Hand geben.“

Denn neben der medikamentösen Behandlung spiele bei dieser Krankheit die Beratung auch der Eltern eine entscheidende Rolle. „Wir müssen bei dieser genetisch bedingten Erkrankung den Eltern zum einen die Schuldgefühle nehmen, in der Erziehung versagt zu haben“, so Blanz, „und zum anderen gemeinsam Erziehungs-Strategien entwickeln, mit deren Hilfe die Kinder lernen, ADHS zu kontrollieren.“

Gelingt dies nicht, können betroffene Kinder neben einem schulischen Leistungsdefizit auch Störungen des Sozialverhaltens entwickeln, die weit reichende Folgen für deren Zukunft haben können. „Dann wächst sich Nicht-Stillsitzen-Können und Unaufmerksamkeit zu Schulversagen und Fehlverhalten aus, bis hin zu extremen Fällen, bei denen Aggressivität in eine kriminelle Karriere mündet“, beschreibt Kinderpsychiater Blanz die Auswirkungen.

An der Jenaer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ADHS „eine unserer Hauptaufgabe“, bestätigt Prof. Blanz. „Bis zu 80 Prozent der in der Tagesklinik behandelten Kinder kommen mit dieser Diagnose zu uns“. In der Folge wurde die Kapazität dort von 10 auf 13 tagesklinische Behandlungsplätze erweitert.

Wichtig für eine erfolgreiche Behandlung sei dabei vor allem auch die richtige Diagnostik, denn nicht jeder Zappelphilipp leidet auch an ADHS, wie Blanz betont. Auch dafür die Aufmerksamkeit der Kollegen zu schärfen ist Anliegen der zweitägigen Jenaer Tagung.

7. und 8. September 2007, 18.00 Uhr bzw. 8:00 Uhr
ADHS – Symposium
Steigenberger Esplanade
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Bernhard Blanz
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Universitätsklinikum Jena
Tel. 03641/936581
E-Mail: Bernhard.Blanz[at]med.uni-jena.de

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Helena Reinhardt idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de/

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