Pfingsttagung des VNDS

Sprach- und Literaturwissenschaftler sowie Historiker folgen dabei der Einladung des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung und des Hansischen Geschichtsvereins, die traditionell zu Pfingsten in einer ehemaligen Hansestadt des norddeutschen Raumes ihre Jahresversammlung gemeinsam abhalten. Die namhaften Vereine freuen sich 2007 darüber, zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte in der Stadt an der Oder zu Gast sein zu dürfen.

Im Mittelpunkt der viertägigen Veranstaltung steht ein umfangreiches wissenschaftliches Programm, das im Kleist-Forum (Platz der Einheit 1) stattfindet. Den Auftakt dazu bildet ein Plenumsvortrag am 29. Mai um 9.00 Uhr. Ulrich Weber (Kiel) referiert zum Thema: Sprachunvermögen oder Sprachspiel? Betrachtungen zu plattdeutschen Komödien aus dem 17. Jahrhundert. Interessierte Gäste sind zum gesamten Vortragsprogramm herzlich willkommen und können sich während der Tagung im Kleist-Forum anmelden.

Die Hanse war eine Organisation niederdeutscher Fernkaufleute einerseits und rund 70 großer und 100 bis 130 kleiner Städte andererseits, in denen diese Kaufleute das Bürgerrecht hatten. Diese kaufmännische Organisation und ihre Vorläufer verfolgten über nahezu ein halbes Jahrestausend (von der Mitte des 12. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts) ihr Ziel des möglichst gewinnbringenden Handels. Die Städte bemühten sich seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert vermehrt um gegenseitige Unterstützung gegen adlige Herrschaftsansprüche. – Frankfurt an der Oder hatte 1253 Stadtrecht erhalten. Spätestens seit 1368 war Frankfurt Mitglied der Hanse. Handelsbeziehungen bestanden in Richtung Preußen, Schlesien, Böhmen, in das westliche Brandenburg, nach Hamburg und Flandern, oderabwärts nach Stettin und zu den hansischen Seestädten. Eingeführt wurden Heringe, Salz, Tuch, Leinwand, Honig, Wachs, Gewürze, Kupfer, Eisen und Blei; die Ausfuhr konzentrierte sich auf Getreide, Holz, Flußfische und (eigenen!) Wein. Die Fürsten sahen schließlich in den Bündnissen sowie in den Privilegien der Hansestädte ein ernstes Hindernis für den Ausbau ihrer Landeshoheit. Mit dem Ziel, die Städte wieder unter ihre Herrschaft zu bringen, zwangen die Markgrafen von Brandenburg um die Mitte des 15. Jahrhunderts deshalb die bisher zur Hanse gehörenden märkischen Städte wie Brandenburg, Salzwedel und Stendal, besonders aber auch die Residenzstadt Berlin und die am schiffbaren Oderstrom gelegene Stadt Frankfurt, sich von der Hanse zurückzuziehen. Der Hansetag von 1518 sah sich genötigt, offiziell in seinem Rezess bekanntzugeben, dass 31 Städte aus der Hanse ausgeschlossen worden seien, da sie ihre Privilegien nicht mehr in Anspruch nahmen, nicht mehr zu den Hansetagen erschienen oder nicht mehr in der Lage waren, das Beratungsgeheimnis gegenüber ihren Stadtherren zu wahren. Zu ihnen gehörten so bedeutende Städte wie Berlin und Frankfurt an der Oder.

Auf seiner 120. Jahresversammlung bietet der Verein für niederdeutsche Sprachforschung ein facettenreiches Programm, das zugleich ein breites Themenspektrum der niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft abdeckt. Nach dem Plenumsvortrag befasst sich Heike Müns (Oldenburg) am Dienstag um 10.15 Uhr mit der Entdeckung des niederdeutschen Kinderliedes durch die Pädagogik. Matthias Vollmer (Greifswald) schließt sich mit einem Referat zur niederdeutschen Dialektlexikographie in Pommern an. Am Mittwoch berichtet ab 9.00 Uhr zunächst Heinz-Wilfried Appel (Göttingen) über ein höchst aktuelles Thema, nämlich Niederdeutsch im Cyberspace. Darauf folgt ein Beitrag zu neueren Perspektiven in der dialektologischen Forschung (rezeptive Dialektologie) von Joachim Gessinger (Potsdam). Zum Schluss der Vormittagssitzung greift Klaas-Hinrich Ehlers (Frankfurt/Oder) ein wissenschaftsgeschichtliches Thema auf, nämlich die staatliche Förderung der Dialektforschung zwischen 1920 und 1945. Der Nachmittag dieses Tages ist ab 14.00 Uhr ganz für drei Doktorandinnen reserviert, die ihre Dissertationsvorhaben vorstellen. Es referieren Anke Jarling (Münster), Ellen Rupprecht (Kiel) und Birte Arendt (Greifswald).

Die 123. Jahresversammlung des Hansischen Gesichtsvereins knüpft mit dem Thema „Der hansische Kaufmann und der liebe Gott. Zu Kommerz und Kirche in Mittelalter und Früher Neuzeit“ an die Beobachtungen an: In der Vielzahl städtischer Sakralbauten der Kirchen und Kapellen, Klöster und Hospitäler offenbarte sich nicht nur das enge, jedoch oft genug frappierend sachlich-kaufmännisch anmutende Verhältnis des hansischen Bürgertums zur christlichen Religion, sondern ebenso auch sein politischer Geltungsanspruch. Die die Stadtsilhouette beherrschenden gewaltigen Kirchenbauten waren nicht nur Ausdruck der Glaubensstärke, sondern zugleich auch weithin sichtbare Zeichen der Macht und Leistungsfähigkeit des Städtebürgertums. Unter den Kirchenbauten der früheren Zeit hatte in den Hansestädten der Typ der Hallenkirche dominiert. Im Prinzip unverändert hat sich diese Bauform z.B. in den Marienkirchen zu Danzig, Greifswald, aber auch in Frankfurt (Oder) erhalten. Das wissenschaftliche Programm beginnt am Dienstag, 29. Mai 2007, um 10.15 Uhr mit dem Vortrag von Rolf Hammel-Kiesow (Lübeck): Moral und Kommerz.“ (K)ein Einblick ins Herz des Hansekaufmanns?. Es folgen: Heinrich Dormeier (Kiel): Kirchliche Bruderschaften in Lübeck im 15./16. Jahrhundert. Devotion und Memoria, Geselligkeit und wirtschaftliche Interessen; Knut Schulz (Berlin): Mitglieder deutscher Handwerksbruderschaften aus dem Hanseraum im Rom der Renaissance (Ende 14. bis Mitte 16. Jahrhundert); Christiane Schuchard (Berlin): Lübecker und Hamburger Interessenvertreter an der päpstlichen Kurie im 14. und 15. Jahrhundert. Am Mittwoch, 30. Mai 2007, beginnt das Programm um 8.45 Uhr mit Dietrich W. Poeck (Münster): Zwischen Kirche und Rathaus. Die Zeit des Rates. Es folgen: Arndt Reitemeier (Kiel): Die Pfarrkirchen in den Hansestädten: Kaufleute als Verwalter; Antjekathrin Graßmann (Lübeck): Kirchliches Leben in den hansischen Niederlassungen des Auslandes; Birgit Noodt (Chicago): Zum religiösen Kulturtransfer der Hanse. – Die Nachmittagsvorträge beginnen um 15.00 Uhr mit Rainer Postel (Hamburg): eyne gans nye ferlicke secte“ Die Hansestädte und die Reformation; Claus Veltmann (Halle): Hanse und Reformation im östlichen Ostseeraum. Eine um 16.30 beginnende Schlußdiskussion beendet die Tagung.

Abgerundet wird der wissenschaftliche Teil der Veranstaltung durch ein abwechslungsreiches Begleitprogramm, an dessen Beginn ein geselliges Beisammensein am Abend des Pfingstmontags steht. Am folgenden Nachmittag werden Stadtführungen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten für die Teilnehmer angeboten. Zudem findet an diesem Abend um 19.00 Uhr der offizielle Empfang des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt/Oder für die Vereine im Rathaus statt. Die Tagung klingt schließlich mit einer ganztägigen Exkursion am 31.5. aus, die unter kundiger Führung in das Kloster Neuzelle führt.

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Prof. Rosenberg VNDS

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