Die Heinzelmännchen der Trinkwasserversorgung

Wenige, echte Grundwassertiere in geringer Anzahl zeigen, dass es sich um gutes, wohlgeschütztes und sauberes Wasser handelt“, erklärt Dr. Hans Jürgen Hahn, Leiter der Arbeitsgruppe Grundwasserökologie am Campus Landau der Universität Koblenz-Landau.

Wasserasseln (Asselus aquaticus) oder andere Tiere aus Oberflächengewässern gefährdeten dagegen die Qualität des Trinkwassers – besonders, wenn sie in Massen vorkommen würden.

In den letzten Wochen wurde – zum Teil sehr erregt – über Wasserasseln in Trinkwasserleitungen berichtet. Die dargestellten Probleme wie verstopfte Wasserhähne und Asselkot und -kadaver im Trinkwasser seien aber die Ausnahme, betont Hahn. Ein solcher Massenbefall komme nur dort vor, wo die Leitungsnetze sehr alt und überdimensioniert seien und das Rohwasser hohe Mengen organischer Stoffe enthalte. Dringen in solche Netze Arten aus Oberflächengewässern ein, wie die Wasserassel, könnten sie sich explosionsartig vermehren.

Fast immer finden sich dagegen echte Grundwassertiere in geringer Zahl in den Leitungsnetzen. Sie seien die „Heinzelmännchen der Trinkwasserversorgung“. „Dass unser Trinkwasser so sauber aus der Leitung kommt wie wir es erwarten, verdanken wir vor allem den Lebewesen im Grundwasser. Sie fressen und zersetzen eingetragene Schadstoffe und reinigen so unser Trinkwasser. Echte Grundwasserorganismen weisen darauf hin, dass es sich um sauberes Grundwasser handelt – ein Qualitätsmerkmal“ so Hahn.

Aber nicht nur diese Ökosystemdienstleistungen, wie Fachleute sagen, machen die Tiere des Grundwassers so wertvoll. Viele von ihnen sind uralt und sehr selten. Brunnenkrebse zum Beispiel sind lebende Fossilien die schon vor 300 Millionen Jahren, lange vor den Dinosauriern, die Oberflächengewässer der Steinkohlenzeit besiedelten. Irgendwann damals müssen sie in das Grundwasser eingewandert sein, wo sie heute noch fast unverändert leben. Sie zählen zu den seltensten Grundwassertieren mit 8 Arten in Deutschland. Zwei davon, besonders urtümliche Brunnenkrebsarten, wurden in den letzten Jahren in Württemberg neu entdeckt und gelten als wissenschaftliche Sensation.

Biologen gehen davon aus, dass im Grundwasser Deutschlands noch viele unbekannte Tierarten ihrer Entdeckung harren. Aber nur wenige Wissenschaftler, wie zum Beispiel die Arbeitsgruppe Grundwasserökologie an der Universität in Landau, erforschen die Tierwelt des Grundwassers. Die Landauer Wissenschaftler wollen herausbekommen, wie Grundwasserökosysteme überhaupt funktionieren und welche Umweltfaktoren darüber entscheiden ob bestimmte Arten vorkommen oder nicht. „Letztendlich geht es um Bioindikation, das bedeutet, wie lässt sich anhand der Tiere der Zustand und die Qualität des Grundwassers beschreiben. Lassen sich anhand von Veränderungen der Grundwasserfauna Schädigungen an Feuchtgebieten vorhersagen und wie lassen sich Grundwassertiere schützen“, erläutert Hahn. Nur gesunde Grundwasserökosysteme mit all ihrer Tieren und Mikroorganismen lieferten auch gesundes Trinkwasser.

Deshalb untersuchen die Biologen derzeit auch mit einem mehrjährigen Forschungsprojekt, finanziert durch die KSB-Stiftung in Frankenthal/Pfalz, das Vorkommen und die Verteilung von Grundwassertieren im Leitungsnetz eines großen süddeutschen Wasserversorgers. „In unserem Wasserwerk kommen nur sehr wenige Tiere vor – alles echte Grundwasserbewohner“ begeistert sich Jörg Bork, der Projektleiter. „Es ist wirklich spannend herauszufinden, wie die Tiere in das Leitungsnetz gelangen, wo sie sich dauerhaft aufhalten können, und warum sie dort aber unter normalen Umständen keine Massenvorkommen ausbilden“.

Wichtig sei, so Bork und Hahn, dass die Wasserversorger das Vorkommen von Tieren in ihrem Leitungsnetz akzeptieren und differenziert betrachten. Entscheidend sei, zu wissen, um welche Arten es sich handelt und wie hoch die Besiedlungsdichten sind. Die Kunden erwarteten schließlich von ihrem Wasserversorger klare Informationen über den Zustand ihres wichtigsten Lebensmittels.

Kontakt:
Arbeitsgruppe Grundwasserökologie
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau
Fortstr. 7, D-76829 Landau
Dr. habil. Hans Jürgen Hahn
Tel.: 06341-280-211
E-Mail: hjhahn@uni-landau.de
Dipl.-Geogr. Jörg Bork
Tel.: 06341- 280-159
E-Mail: bork@uni-landau.de

Media Contact

Bernd Hegen idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-landau.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Ökologie Umwelt- Naturschutz

Dieser Themenkomplex befasst sich primär mit den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und den auf sie wirkenden Umweltfaktoren, aber auch im weiteren Sinn zwischen einzelnen unbelebten Umweltfaktoren.

Der innovations report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Klimaschutz, Landschaftsschutzgebiete, Ökosysteme, Naturparks sowie zu Untersuchungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer