Eine globale Super-Aufgabe

1995 wiesen Klimaforscher der Max-Planck-Gesellschaft zum ersten Mal nach, dass der Mensch die globale Erwärmung beeinflusst. Vor genau zehn Jahren unterzeichneten die Vereinten Nationen das Protokoll von Kyoto. Damit verpflichteten sich die Industrieländer, ihren Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren. In dieser Woche verhandeln die Staaten der UN auf Bali über Strategien für die Jahre nach 2012. Dann wird das Kyoto-Protokoll nicht mehr verbindlich sein. Kann es dabei als Vorbild dienen – oder war es ein Misserfolg?

Mit dem Kyoto-Protokoll wurde vor genau zehn Jahren der Versuch gestartet, weniger Treibhausgase in der Atmosphäre zu blasen. „Diese Entscheidung war ein großer globaler Erfolg“, meint Hartmut Graßl, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, der damals als Direktor des Weltklima-Forschungsprogramms der UN die Verhandlungen in Kyoto miterlebt hat.

Handeln war notwendig

Das Kyoto-Protokoll ist das erste völkerrechtlich verbindliche Regelwerk, mit dem die UN sich zum Klimaschutz verpflichtet haben. Aber schon seine Geburt war schwierig, denn einige Staaten sträubten sich von Anfang an dagegen. Sie befürchteten, die Reduktion der CO2-Emissionen würde ihre Wirtschaft bremsen. Dass es überhaupt formuliert wurde, verdankt die Welt den Forschern des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg um den inzwischen emeritierten Klaus Hasselmann. Seine Arbeitsgruppe bewies 1995 zum ersten Mal, dass ein wesentlicher Teil der globalen Erwärmung menschlichen Ursprungs ist.

Die Ergebnisse der Forscher aus Hamburg gingen in den Bericht des Weltklimarats ein, eines beratenden Organs der UN. „Klaus Hasselmann prägte im März 1995 einen ziemlich wichtigen Satz dieses Berichtes vor“, sagt Hartmut Graßl. „The balance of evidence suggests a discernible human influence on global climate.“ Dieser Satz entfaltete eine weltweite Signalwirkung. Und er überzeugte auch vorherige Zweifler. Offiziell am 10. Dezember 1997 einigten sich die Staaten der UN schließlich. „In Wahrheit sogar noch später“, wie Graßl sich erinnert. „Wir saßen in dem Raum und warteten die ganze Nacht.“ Die Verhandlungen waren erst am Folgetag um 11.30 Uhr zu Ende. „Immer auf den letzten Drücker“, sagt Graßl. „So ist das, wenn Menschen etwas entscheiden müssen.“

Das große Zögern

Die Idee, die hinter dem Protokoll steht, ist überzeugend. Die Vertragsstaaten verpflichteten sich darin, den Ausstoß von Treibhausgasen um 5,2 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu verringern. Dabei sollten die einzelnen Länder unterschiedliche Anteile zur Reduktion beitragen. Die Größe der Anteile richtete sich nach dem Grad ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. So verpflichtete sich die EU zum Beispiel, den Stand von 1990 um acht Prozent zu unterbieten. Russland und die Ukraine wollten ihre eigene Emission von 1990 nicht überschreiten. Für China, Indien und die Entwicklungsländer galten damals keine verpflichtenden Vorgaben, da sie bis dato keine hohen Emissionen aufwiesen.

„Natürlich wusste jeder Wissenschaftler, dass das viel zu wenig war“, sagt Meinrat Andreae, Leiter der Abteilung für Biogeochemie am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. „Das Kyoto-Protokoll war letztlich nur ein Signal dafür, dass Nationen gemeinsam handeln müssen.“ Leider blockierten einige Staaten es noch, nachdem sie es unterzeichnet hatten. Vor allem die USA, die sich unter George W. Bush wieder auf ihre wirtschaftlichen Interessen zurückzogen. „Amerika hat alles getan, um die schwankenden Staaten auf seine Seite zu ziehen“, sagt Graßl. Verbindlich wurde das Papier daher erst 2005, als die russische Duma es ratifizierte. Erst dann war die erforderliche Mehrheit erreicht.

Ganz konkrete Maßnahmen

Aber immerhin. Das Protokoll beeinflusst seit 2005 die globale Emission von Treibhausgasen mit ganz konkreten Maßnahmen. „Um die Vorgaben zu erreichen, haben die Experten der UN bestimmte Instrumente entwickelt“, sagt Graßl. „Und diese greifen vor allem auf der ökonomischen Ebene.“ Ein solches Instrument ist der Handel mit Emissionsrechten. Große Konzerne wie zum Beispiel Betreiber von Kraftwerken dürfen nur eine bestimmte Menge an Treibhausgasen ausstoßen. Die Freimengen werden ihnen in Form von Zertifikaten zugeteilt. Überschreiten sie diese Grenze, müssen sie Zertifikate hinzukaufen. Unterschreiten sie sie, dann können sie ihre Freimengen an andere Konzerne oder Staaten verkaufen und somit sogar Gewinne erzielen. Das ist ein ökonomischer Anreiz, den eigenen CO2-Ausstoß zu verringern.

Ein weiteres Instrument ist der sogenannte Mechanismus der sauberen Entwicklung. Dieser sieht vor, dass sich entwickelte Staaten höhere Emissionen erkaufen können. Dazu müssen sie Schwellenländern mit sauberen Technologien unter die Arme greifen. „Der Atmosphäre ist es doch egal, wo Emissionen eingespart werden“, sagt Graßl. „Das können Sie in München oder in Asien machen.“ Industrieländer können sich so in den Schwellenländern engagieren und dort die schmutzigen Fabriken durch neue und sparsamere ersetzen. Damit moderiert das Kyoto-Protokoll den unvermeidbaren Fortschritt in den unterentwickelten Ländern auf klimafreundliche Art und Weise.

Die Erfolge könnten größer sein

„Aber das allgemeine Zögern bis zur Ratifikation hatte Folgen“, sagt Meinrat Andreae. „Das Kyoto-Protokoll hätte viel schneller umgesetzt werden müssen.“ Die 39 Industrieländer werden ihre Kyoto-Vorgaben bis 2012 zwar wahrscheinlich erreichen. Aber im Mittel stiegen die weltweiten Emissionen laut dem letzten Bericht des Weltklimarats seit 1990 trotzdem weiter stark an. Das zeigt auch eine Studie des Global Carbon Project, das den weltweiten CO2-Kreislauf untersucht. „Während es um 2000 noch Grund zu leichtem Optimismus gab, liegen die CO2-Emissionen von 2005 und 2006 weit über den Szenarien, die als extreme Obergrenze definiert worden sind“, sagt Andreae. „Das ist eine Horrornachricht, weitaus schlimmer als in den Büchern von Stephan King.“

Das liegt zum Teil daran, dass sich die Vorgaben des Kyoto-Protokolls auf eine alte Situation stützen. China und Indien zum Beispiel, die in Kyoto gar keine Verpflichtungen erhalten haben, entwickelten sich in den letzten Jahren rasant. Ihr CO2-Ausstoß steigt rapide an. Zum anderen ist es eine Frage der Gerechtigkeit. Warum sollte zum Beispiel Afrika seine wirtschaftliche Entwicklung zu Gunsten des Klimawandels bremsen, wenn es im Vergleich zu den Industrieländern bisher einen viel kleineren CO2-Ausstoß verursacht hat?

Über Kyoto hinaus

„Das Kyoto-Protokoll war der erste Schritt der Weltgemeinschaft, geschlossen etwas konkretes zu tun“, sagt Graßl. Aber jetzt gilt es, noch umfassendere Vorgaben auszuhandeln. Den Ausstoß von Treibhausgasen um 5,2 Prozent zu reduzieren, ist viel zu wenig. Das bestätigt nur noch ein weiteres Mal der neue Bericht des Weltklimarats, der sich auch auf die wissenschaftlichen Ergebnisse von zahlreichen Max-Planck-Forschern stützt. Die Wissenschaftler aus Hamburg oder Mainz oder auch vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena tragen schon seit Jahrzehnten Daten zum Klimawandel zusammen. Sie speisen sie in Modelle ein, die in Hamburg berechnet werden. Und sie stellen Vorhersagen über die Entwicklung des Weltklimas und ihre Folgen auf.

„Die Ergebnisse des neuen Abschlußberichts des Weltklimarats alarmieren auch die letzten Zweifler“, sagt Graßl. „Es muss nun ein ganz neues Energiekonzept gefunden werden.“ Bis 2050 muss die Welt ihren Ausstoß von Treibhausgasen extrem reduzieren, damit die globale Erwärmung nicht zu einem völlig unkontrollierbaren Klimazustand führt. Dabei ist das Prinzip der Emissionsgerechtigkeit einzuhalten. „Das, was sich die Weltgemeinschaft an Emissionen leisten kann, damit die Erderwärmung im Bereich von zwei Grad Celsius bleibt, lässt sich in Form eines Kuchens darstellen“, sagt Andreae. „Und die Industrienationen haben etwa die Hälfte dieses Kuchens schon gegessen.“ Gerade aber Entwicklungsländer werden die schlimmsten Folgen des Klimawandels tragen. „Bangladesh darf nicht die Abwehr der Flutkatastrophe bezahlen, die Portugal oder die USA durch ihren CO2-Ausstoß verursacht haben“, sagt Graßl. Solche Überlegungen werden nun in Bali zur Sprache kommen.

Kein Bali-Protokoll

Vor allem die EU setzt sich inzwischen für ein weit konsequenteres Protokoll nach 2012 ein. Auf der Konferenz in Bali will sie diesbezüglich Verhandlungen anstoßen. Die Staaten der EU selbst haben auf ihrem EU-Klimagipfel im März dieses Jahres sehr ehrgeizige Ziele formuliert. Den CO2-Jahresausstoß will die Gemeinschaft bis 2020 um 20 Prozent gemessen am Stand von 1990 reduzieren. Deutschland als Vorreiter will sogar 40 Prozent erreichen. Dabei helfen soll zum Beispiel, erneuerbare Energietechnologien zu fördern. Und auch die Haushalte sollen ihre Energie effizienter nutzen.

„Etwas konkretes wird in Bali aber nicht herauskommen“, sagt Graßl. „Es geht nur um einen Fahrplan für weitere Verhandlungen.“ So werden die Länder der Vereinten Nationen ihre unterschiedlichen Vorstellungen auf den Tisch bringen. Die EU wird drängen. China und Indien werden ihren Aufschwung schützen wollen. Afrika und andere Entwicklungsländer werden Gerechtigkeit fordern. In Bali müssen die UN erst Ausschüsse bilden, die in den Folgejahren alle diese Forderungen prüfen. Auf dieser Basis verhandeln sie dann auf der Vertragsstaaten-Konferenz 2009 in Kopenhagen. „Wenn wir Glück haben, bekommen wir 2009 dann ein Kopenhagen-Protokoll“, sagt Graßl.

Dieses müsse so verbindlich wie das Kyoto-Protokoll sein. Aber in seinen Vorgaben müsse es weit darüber hinausgehen. „Uns Wissenschaftlern ist klar, dass es eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf ist“, sagt Andreae. „Und das Problem wird mit jedem Jahr schwerer zu lösen sein.“

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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