Wenn weniger mehr sein soll – Muß Konsumverzicht zu weniger Zufriedenheit führen?

Das hat Dr. Astrid Matthey vom Jenaer Max-Planck-Institut für Ökonomik untersucht und ihre Ergebnisse auf aktuelle Diskussionen zum Umweltschutz angewandt. Ihr Fazit: Je stärker der gesellschaftliche Fokus auf materiellem Konsum liegt, desto mehr sinkt die Zufriedenheit bei Konsumreduktion, und desto weniger Rückhalt haben Maßnahmen zum Umweltschutz in der Bevölkerung.

Forscher und Politiker diskutieren Strategien, um einen nachhaltigen Umgang mit endlichen Ressourcen zu erreichen. Eine verbreitete Annahme lautet, dass hierzu der Ressourcenverbrauch in westlichen Industrienationen zurückgehen müsse. Wenn dies so ist, kann die Reduzierung von Konsum notwendig werden – was die Zufriedenheit des Einzelnen beeinträchtigen kann. Astrid Matthey, Forscherin am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena, hat nun in Laborexperimenten mögliche Einflussfaktoren auf individuelles Wohlbefinden untersucht. Zentral sind dabei die Konzepte „Aspirationen“ und „Priming“.

Aspirationen (allgemeine Bestrebungen bzw. Hoffnungen) beruhen auf vagen Informationen hinsichtlich möglicher Erfolge und Errungenschaften in der Zukunft. Sie bilden die Grundlage für Referenzpunkte, mit denen man sich vergleicht. Im Allgemeinen ist man dann zufrieden, wenn das tatsächliche Ergebnis das Niveau des Referenzpunktes erreicht. Ist das erreichte Ergebnis schlechter, entsteht Unzufriedenheit. Im Experiment (einer Lotterie mit verschieden hohen Gewinnmöglichkeiten) zeigt Matthey nun, dass Menschen mit ursprünglich höheren Aspirationen bei Nicht-Erreichen stärkere Verlustgefühle erleben.

„Je höher die Aspirationen hinsichtlich zukünftiger Konsummöglichkeiten sind, desto mehr leiden Menschen, wenn sie sich nicht erfüllen“, berichtet Matthey: „Vor allem braucht es Zeit, von diesen hohen Aspirationen wieder wegzukommen, selbst wenn man einsieht, dass sie sich nicht erfüllen werden. Wir hängen potentiell unserem Traum von der Villa und dem großen Auto lange nach. Deswegen können hohe Aspirationen unserer Zufriedenheit nachhaltig schaden.“

Wie aber werden Aspirationen bzw. Referenzpunkte geformt oder beeinflusst? Hier erlangt das Konzept des Priming starke Bedeutung, der psychologische Umstand, dass bestimmte Assoziationen bei Menschen aktiviert sein können, ohne dass diese sich der Aktivierung bewusst sind. In einem weiteren Experiment weist Matthey nach, dass Menschen, bei denen eher materielle Errungenschaften aktiviert werden („Kluge Investoren werden reich“), sich anders verhalten als Versuchspersonen, bei denen eher soziale Inhalte („Kinder helfen ihren Eltern“) aktiviert wurden. Materielles Priming führte zu höheren Erwartungen an wirtschaftlichen Erfolg – also zu höheren Referenzpunkten, anhand derer die Versuchspersonen ihren Erfolg bewerteten.

Diese Ergebnisse lassen sich auf den Alltag übertragen: „Je höher der Stellenwert von Konsum in unserer Gesellschaft ist, desto mehr streben wir diesen an – und desto schwerer fällt der Verzicht darauf“, fasst Matthey zusammen und folgert: „Sinnvoll wäre, als Gesellschaft mehr Wert zum Beispiel auf soziale Beziehungen und solche Aktivitäten zu legen, die weniger stark vom Konsum abhängen.“ Dies gelte gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise, wo viele Menschen ohnehin wirtschaftlich schwereren Zeiten entgegen sehen. „Zudem könnte so der Rückhalt für Maßnahmen zur nachhaltigen Ressourcennutzung gestärkt werden“, erklärt Matthey.

Originalveröffentlichung:
„Less is more: the influence of aspirations and priming on well-being“
Journal: Journal of Cleaner Production
doi: 10.1016/j.jclepro.2009.03.024
Das Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena beschäftigt sich mit einem breiten Spektrum von Fragen des wirtschaftlichen Wandels insgesamt, der experimentellen Ökonomik sowie des unternehmerischen Verhaltens (www.econ.mpg.de).

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Dr. Astrid Matthey
Max-Planck-Institut für Ökonomik
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