Wagnis Wissenschaft? HoF veröffentlicht Studie zum wissenschaftlichen Nachwuchs

In Deutschland werden nicht zu letzt dank der Vielfalt der Qualifizierungswege, die den unterschiedlichen individuellen Lebenssituationen, Berufs- und Karrierevorstellungen Rechnung zu tragen in der Lage ist, mehr Promotionen pro Universitätsabsolvent/-in bzw. Einwohner abgeschlossen als in den meisten anderen Staaten.

Trotzdem wird dieser Erfolg mit hohen gesellschaftlichen und privaten Verlusten bezahlt, weil zu viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre angestrebten Ziele nicht erreichen: Von den auf der Basis von Statistiken und eigenen Erhebungen geschätzten bis zu 63.000 Doktorandinnen und Doktoranden (ohne Medizin) wird vermutlich höchstens ein Drittel das Promotionsvorhaben mit Erfolg abschließen. Dabei werden in Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften deutlich mehr Promotionen erfolgreich beendet, als etwa in den Sprach- und Kulturwissenschaften. Auch wenn sich ein Teil derjenigen, die ihre Promotionsabsicht nicht umsetzen können, andere berufliche Karrierewege erschließt, sollte diese Abbruchquoten Anlass geben, ernsthaft über die Verbesserung der Qualifizierungsbedingungen und der Berufsperspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses nachzudenken. Bundesregierung, Länder und Förderorganisationen reagieren auf diese Defizite insbesondere mit der Einführung strukturierter Promotionsprogramme. Zugleich stellen zahlreiche Bundesländer ihre Fördersysteme von einer direkten Förderung über Stipendien auf eher indirekte Anreizsysteme um, so dass die Verantwortung für die Promotionsförderung zunehmend bei den Hochschulen selbst. Gleichzeitig wächst die Bedeutung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen für die Nachwuchsförderung.

In besonderem Maße gilt das hohe Risiko einer wissenschaftlichen Karriere – trotz Einführung der Juniorprofessur – für die Post-doc-Phase, in der die Voraussetzungen für die Berufung zur Hochschullehrerin/zum Hochschullehrer erworben werden. Scheitert man hier, ist ein erfolgreicher beruflicher Neustart außerhalb des Hochschulsystems altersbedingt oft nur schwer zu meistern. Die Reformbemühungen der vergangenen Jahre haben daran bisher nichts wesentliches geändert, so dass weitere Reformen zu erwarten sind.

In dem 700 Seiten umfassenden Band „Wagnis Wissenschaft“ wird das System der Nachwuchsförderung in Deutschland umfassend erläutert. Ausgangspunkt ist die aktuelle hochschulpolitischen Diskussion zur Nachwuchsqualifizierung in Deutschland mit Juniorprofessur, Exzellenzinitiative und Hochschulpakt 2020 sowie den Konsequenzen der Föderalismusreform. Vor dem Hintergrund dieser Debatte werden die Promotionsphase und die Post-doc-Phase ausführlich analysiert. In jeweils einem historischen Rückblick wird aufgezeigt, wie das gegenwärtige Modell der wissenschaftlichen Qualifizierung in Deutschland entstanden ist. Die Qualifizierungswege werden erläutert und die Entwicklung von Promotion, Habilitation und Juniorprofessur mit umfangreichen statistischen Daten beschrieben. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren. Die Daten sind bis auf die Ebene der Bundesländer differenziert. Daneben werden die Ergebnisse anderer empirischer Studien zur Nachwuchsqualifizierung zusammengefasst und in den Kontext der Studie eingearbeitet. Auf der Grundlage von eigenen Studien zum Leistungsspektrum der Förderorganisationen, zu den gesetzlichen Grundlagen der Nachwuchsförderung und zu den Förderstrategien der Bundesländer, des Bundes und der EU wird untersucht, wie das Förderspektrum auf die Probleme und Defizite der Nachwuchsförderung reagiert. In einem abschließenden internationalen Vergleich wird die Nachwuchsförderung in Deutschland in den internationalen Kontext eingeordnet und Vor- und Nachteile der jeweiligen Systeme werden herausgearbeitet. Ein umfangreicher Datenanhang auf CD enthält weitere Tabellen und Übersichten im Excel-Format und ermöglicht weitere Recherchen bis auf Ebene der Bundesländer.

Bei dem Band handelt es sich um die wissenschaftliche Langfassung des „Bundesberichts zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“, der dem Bundestag im März 2008 zur Unterrichtung durch die Bundesregierung vorgelegt wurde (www.buwin.de; Bundestagsdrucksache 16/8491). Über diesen hinausgehend lieferte er insbesondere Aufschluss über bestehende Informationsdefizite und Forschungsdesiderata.

Die Studie wendet sich an all jene, denen in Politik und Hochschulpraxis die Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses ein Anliegen ist. Intendiert ist die Schaffung einer fundierten Grundlage für die Weiterentwicklung des Fördersystems und die Diskussion über den „Wissenschaftsstandort Deutschland“.

Anke Burkhardt (Hrsg.) (2008): Wagnis Wissenschaft – Akademische Karrierewege und das Fördersystem in Deutschland. Akademische Verlagsanstalt Leipzig, 691 Seiten und CD, 35,00 €. ISBN 978-3-931982-58-4.

Eine Leseprobe sowie das Inhaltsverzeichnis finden Sie auf http://www.hof.uni-halle.de/cms/download.php?id=143

Ansprechpartnerin:
Dr. Anke Burkhardt
HoF Wittenberg
Collegienstraße 62
06886 Wittenberg
E-Mail: anke.burkhardt@hof.uni-halle.de
Tel. 03491/466-254

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