Standortfaktor E-Government: Effizientere Prozesse zwischen Wirtschaft und Verwaltung

In diesen hochgradig redundanten Prozessen zwischen Staat und Industrie verbergen sich enorme Einsparpotenziale, indem etwa Verwaltungsabläufe automatisiert oder Schnittstellen zwischen Unternehmen und Behörden standardisiert werden.

Die Möglichkeiten und Potenziale für deutlich günstigere, transparentere und sicherere Prozessketten haben jetzt fünf Fraunhofer-Institute und die TU München in drei Machbarkeitsstudien für das Bundesministerium des Inneren (BMI) aufgezeigt.

Standortfaktor E-Government:

Meilenstein bei der Entwicklung effizienterer Prozesse und Schnittstellen mit der Verwaltung

Immer wieder und wieder müssen Unternehmen für verschiedenste Zwecke Firmen- oder Personaldaten für Verwaltungsvorgänge aufbereiten, womit die Hauptlast der Bürokratiekosten in Deutschland längst bei der Wirtschaft liegt. In diesen hochgradig redundanten Prozessen zwischen Staat und Industrie verbergen sich für beide Seiten enorme Einsparpotenziale, indem etwa Verwaltungsabläufe automatisiert oder Schnittstellen zwischen Unternehmen und Behörden standardisiert werden. Die Möglichkeiten und Potenziale für deutlich günstigere, transparentere und sicherere Prozessketten haben jetzt fünf Fraunhofer-Institute und die TU München in drei Machbarkeitsstudien für das Bundesministerium des Inneren (BMI) aufgezeigt – in enger Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Unternehmen. Konzepte für eine bedarfsgerechte Umsetzung der Studien werden im nächsten Schritt als eine Art „Blaupause“ für einen Pilotversuch dienen. Zudem soll ein Leitfaden samt Methoden-Baukasten entstehen, der es erlaubt, nahezu jede Prozesskette zwischen Wirtschaft und Verwaltung nicht nur zu analysieren, sondern gleich auch neu zu gestalten.

Das Erfolgsmodell „Bürgeramt“ als zentrale Anlaufstelle wird immer stärker auch auf die virtuelle Datenwelt übertragen, ganz nach dem Motto: Egal wie viele Behörden und Arbeitsschritte für eine bestimmte Aufgabe auch erforderlich sein mögen – für den einzelnen Verwaltungs-„Kunden“ zählen letztlich nur Ergebnis, Bearbeitungszeit und zentraler Ansprechpartner. Weitgehend verzichten muss jedoch die Wirtschaft auf ein solches „Bürgeramt“. Dabei ließen sich mit neuartigen „Service-Architekturen“ gerade hier die immer vielfältigeren Daten und Dienste einfach handhaben, und zwar mit einem Bruchteil des heute noch erforderlichen Aufwands.

„Die von der Forschung entwickelten Suchmechanismen, Navigationsstrukturen und Multikanalzugänge werden der öffentlichen Verwaltung schon bald ein völlig neues Maß an ,Kundenorientierung' ermöglichen“, prognostiziert Prof. Dr. Dieter Rombach, Vorsitzender des Fraunhofer-IuK-Verbunds und Fraunhofer-Sprecher für E-Government: „Andererseits erfordern aber aktuelle Entwicklungen wie die einheitliche Behördenrufnummer 115, die Umsetzung des von der EU-DLR geforderten einheitlichen Ansprechpartners oder die Schaffung von Verwaltungsportalen für Wirtschaft und Bürger auch neue Organisationsmodelle und IT-Infrastrukturen.“

Gar nicht mehr so weit hergeholt ist diese Vision eines „One-stop-Governments“ jetzt durch die Ergebnisse eines umfangreichen Projekts im Rahmen des vom Bundesministerium des Inneren geförderten Programms „E-Government 2.0“ zu „Prozessketten zwischen Wirtschaft und Verwaltung“. Präsentiert werden diese Ergebnisse auf dem E-Government-Kongress der dbb akademie, der am Dienstag in Leipzig beginnt.

(1) Machbarkeitsstudie „Umwelt“
Informationspflichten im Umweltbereich, wie etwa die elektronische Abfallnachweisverordnung oder Meldungen an das elektronische Schadstoffregister PRTR, sind Thema einer unter Federführung des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik der TU München erstellten Studie. Hergeleitet werden darin Prozessketten und eine wiederverwendbare Methodik, die auf Basis von Instrumenten wie Domänenanalyse und Prozessbibliothek ähnliche Berichtspflichten identifizieren, bündeln und somit für Entlastungen auf Wirtschafts- und Verwaltungsseite führen kann.

Für die praktische Umsetzung wird es vor allem notwendig sein, die konzeptionellen und infrastrukturellen Voraussetzungen auf Verwaltungsseite zu schaffen. Durch Schnittstellenbeschreibungen für die Übertragung der Informationen zwischen Unternehmen und Verwaltung können Informationen medienbruchfrei und möglichst automatisiert zu den Behörden gelangen.

(2) Machbarkeitsstudie „Finanzdienstleistungen“
Die von Fraunhofer IAO, ISST und SIT und mehreren weiteren Projektpartnern durchgeführte Studie beschreibt verschiedene Werkzeuge, mit denen sowohl Wirtschaft als auch Verwaltung organisationsübergreifende Prozessketten im Bereich der Finanzdienstleistungen optimieren können. Im Wesentlichen stellt die Studie zwei Methoden vor, deren Anwendung anhand zweier Fallstudien für die private Immobilienfinanzierung und die Geldwäscheverdachts-Anzeige demonstriert wird. Auf einer eigens entwickelten, interaktiven Prozesslandkarte lassen sich Informationen zu einzelne Prozessketten visualisieren und Zusammenhänge zwischen Prozessketten darstellen. So wird beispielsweise deutlich, dass in Deutschland gerade einmal jede fünfte Prozesskette zur so genannten „3. Generation“ gezählt werden kann, also nicht über diverse Medienbrüche hinweg oder sogar über den klassischen Kurier- und Postweg abgewickelt wird.
(3) Machbarkeitsstudie „Informations- und Meldepflichten für Arbeitgeber“
Unternehmen bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Meldepflichten zu entlasten, war Ziel einer federführend von Fraunhofer IESE und FOKUS mit sieben weiteren Partnern erstellten Studie. Allein im Personalwesen gibt es immerhin mehr als 200 unterschiedliche Meldepflichten. Empirisch fundiert durch Befragungen von Unternehmen und Behörden, überprüften die Projektpartner die Machbarkeit einer sicheren Automatisierung von Prozessketten sowohl technisch und organisatorisch als auch wirtschaftlich und rechtlich. Ergebnis ist ein Konzept für die Vereinfachung von Meldeprozessen, mit dem sich unnötige Doppelmeldungen durch eine Mehrfachnutzung von Daten weitestgehend vermeiden lassen. Das hierfür konzipierte Werkzeug – der „FRESKO“-Prozessor (FRESKO steht für Flexibler Einfacher Sicherer KOmmunikations-Prozessor) – ist so angelegt, dass es von jedem Unternehmen eigenständig kontrolliert wird, also keine zentrale Datenhaltung erfolgt. In einem nächsten Schritt soll zudem über ein so genanntes „Datenpointernetzwerk“ die redundanzfreie Speicherung der Daten bei unterschiedlichen Behörden erreicht werden. Die Verbindung von FRESKO und Datenpointernetzwerk birgt das Potenzial für No-Stop-Government und stellt einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Netzwerkverwaltung dar.

Die drei Machbarkeitsstudien stehen ab sofort zum Download auf den Webseiten des Fraunhofer eGovernment-Zentrums sowie der Technischen Universität München bereit:

www.egov-zentrum.fraunhofer.de/
www.winfobase.de
Bausteine für das „One-Stop-Government“:
Exponate auf dem dbb-Kongress in Leipzig
Neben Vorträgen im Rahmen des Fraunhofer-Forums (06. Mai von 09:30 bis 11:00Uhr) stellen die Fraunhofer-Institute etliche Exponate vor:

Zusätzlich zum FRESKO-Prozessor zeigt das Fraunhofer FOKUS weitere Bausteine wie z.B. den Zuständigkeitsfinder, der für jede Anfrage eindeutig und rechtssicher den zuständigen Akteur in der Verwaltung ermittelt, sowie identitätssichere Anwendungen für den elektronischen Personalausweis am Bespiel der medienbruchfreien KFZ-Ummeldung.

Das Fraunhofer IAO demonstriert Werkzeuge für die Analyse und die Erstellung eines Bauplans für Prozessketten, wie beispielsweise den zur Visualisierung eingesetzten Prozessketten-Browser, den eGov-Rechner mit dem sich beliebige eGovernment-Prozesse visualisieren, quantitativ kalkulieren und qualitativ bemessen lassen, sowie den Industrialisierungs-Quick-Check für Banken (IQC).

Ein Beispiel für die zielgruppengerechte, zukunftssichere und effiziente Entwicklung von Prozessketten zeigt das Fraunhofer IESE: mit agroConnect.rlp wurden Werkzeuge für die Landwirtschaftsbranche entwickelt. Damit können Landwirte unter Zugriff auf amtliche Fach- und Geodaten sowie ihre eigenen Betriebsdaten Prozesse mit ihren Geschäftspartnern IT-gestützt abwickeln. Es wird ferner gezeigt, wie die Entwicklungsmethode PuLSE? öffentliche Verwaltungen dabei unterstützt, service-orientierte eGovernment-Infrastrukturen bedarfsgerecht und inkrementell aufzubauen und wie sich Entwicklungsrisiken durch den Einsatz des V-Modell XT® minimieren lassen.

Das Fraunhofer IITB präsentiert vielfältige Tools für die Entwicklung wirtschaftlicher Anwendungen für das eGovernment. Angefangen bei Web 2.0 Anwendungen und Geoinformationssysteme bis hin zu Semantic Web Technologien – durch die aufgabenbezogene Integration verschiedener Informationssysteme in verwaltungstechnische Fachanwendungen bieten sich Behörden und Unternehmen zahlreiche Mehrwerte, die vor allem einem effizienteren Ressourceneinsatz zugute kommen.

Aktuelle Entwicklungen im Bereich der semantischen Interoperabilität stellt das Fraunhofer ISST vor und präsentiert Bausteine für die systematische Entwicklung von Spezifikation für einen zuverlässigen Datenaustausch zwischen den vielfältigen Akteuren im eGovernment. Im Rahmen des „Semantic Interoperability Engineering“ erarbeiten Entwickler und Auftraggeber gemeinsam die Anforderungen an Dienstschnittstellen. Folglich können sowohl syntaktische als auch semantische Interoperabilität ohne aufwendige Standardisierungen erreicht werden; ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis und langfristige Planungssicherheit im eGovernment kann somit gewährleistet werden.

Die Gewährleistung von Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit sind die grundlegenden Herausforderungen im eGovernment. Das Fraunhofer SIT präsentiert Lösungsansätze, die den Nutzern den sicheren Dokumentenverkehr ermöglichen. Das Institut demonstriert Entwicklungen für den sicheren Betrieb mobiler Anwendungen, den Schutz sicherheitskritischer Infrastrukturen, sowie Möglichkeiten für die Integration des elektronischen Personalausweises in bestehende Anbietersysteme.

Interessierte Besucher finden den Stand des Fraunhofer eGovernment Zentrums im Atrium Mitte auf der Fachmesse eGovernment im Rahmen des

10. dbb-Kongress „Neue Verwaltung“.

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Alexander Gerber
Leiter Kommunikation
Fraunhofer-Verbund IuK
Tel. (030) 72615660
alexander.gerber@iuk.fraunhofer.de
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