Wer als Kleinkind extremen Stress oder Traumata erlebt hat, ist später eher von Depressionen oder Angststörungen betroffen. Warum das so ist, berichten Forscher vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie in der Fachzeitschrift "Nature Neuroscience".
"Ein Teil derjenigen, die an psychischen Störungen leiden, erlebten Schlimmes in der Kindheit. Auch wenn sich nicht aus jedem frühen Trauma später eine Krankheit entwickelt, steigt die Wahrscheinlichkeit dafür", so Studienleiter Dietmar Spengler im pressetext-Interview. Im Mausversuch konnte der Mechanismus nun geklärt werden, wie psychische Belastungen die Genaktivität und Stressbereitschaft dauerhaft verändern können.
Dazu trennten die Forscher neugeborene Mäuse für drei Stunden von ihrer Mutter, und zwar an zehn Folgetagen. "Das löste einen rein psychischen Stress aus, während die Nahrungsaufnahme durch die relativ kurzen Abwesenheiten nicht beeinträchtigt wurde", berichtet Spengler. Ein DNA-Test zeigte später, dass den Mäusen chemische Markierungen, sogenannte Methylgruppen, in einem regulatorischen Abschnitt des Vasopressin-Gens fehlten, die gewöhnlich die Produktion des Eiweißmoleküls Vasopressin im Gehirn hemmen. In Folge wurde dieses Stresshormon ständig weiterproduziert, was sowohl Emotionen, Gedächtnis als auch den Antrieb der Tierchen störte. Die Mäuse kamen ihr ganzes Leben lang kaum mit Stresssituationen zurecht.
Zeitfenster nach Geburt entscheidet
In der Zeit nach der Geburt sind Tier und Mensch für extreme Veränderungen der Umwelt und soziale Belastungen besonders empfindlich, erklärt der Neurowissenschaftler. "Beim Embryo ist die Empfänglichkeit am höchsten, da sich die Gehirnzellen noch teilen. Ab der Geburt ist dieser Vorgang in vielen Gehirngebieten bereits abgeschlossen. Allerdings sind diese Zellen noch außerordentlich plastisch und reifen weiter." Je jünger Menschen sind, desto eher kann sich das Gehirn an drastische Änderungen der Umwelt anpassen und hierdurch lang anhaltend geprägt werden, während alte Menschen viel mehr Mühe haben, neue Anforderungen in den Alltag zu integrieren.
Erklärbar sei diese frühkindliche Prägung durch die Anpassung des Gehirns. "Die Abwesenheit der Mäusemutter kann man in der Natur mit schwierigen Umweltbedingungen vergleichen, wenn es etwa viele Katzen oder wenig Futter in der Nähe gibt. Die Mäuse werden so schon früh auf diese Bedingungen sensibilisiert und reagieren später ängstlicher, was ihre Überlebenschance vermutlich steigert", so Spengler.
Traumabehandlung möglichst früh ansetzen
Entscheidend ist die Frage, ob nach einem frühkindlichen Trauma langfristige Folgen noch abgewandt werden können. "Das ist bei Mäusen am ehesten in der Frühphase der Fall, wenn sich Veränderungen auf die durch den Stress ausgelösten Nervenaktivitäten beschränken. Eingreifen kann man etwa durch vermehrte Fürsorge oder eine besonders weiche Ausstattung des Käfigs", so Spengler. Dauere das Traumaerlebnis aber über Wochen an, würden die veränderten Nervenaktiviäten in langanhaltende Veränderungen von DNA-Abschnitten umgesetzt. Hierdurch werden traumatische Erfahrungen gewissermaßen eingraviert und bilden ein äußerst stabiles zelluläres Gedächtnis. Dabei verschwinden Methylgruppen und langfristige Erinnerungsspuren bleiben in der DNA eingezeichnet.
Für die klinische Praxis beim Menschen bedeute das, dass Kinder bei Traumata wie Missbrauch oder Vernachlässigung möglichst bald psychotherapeutische Hilfe erhalten sollten, in besonders schlimmen Fällen auch medikamentöse Behandlung. "Wenn man abwartet, bis in der Schule Lern- und Verhaltensstörungen auftreten, oder psychische Krankheiten im Erwachsenenalter, wird die Behandlung weit schwieriger", betont der Münchner Neurowissenschaftler gegenüber pressetext.
Abstract und Originalartikel unter http://www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/abs/nn.2436.html
Johannes Pernsteiner | pressetext.deutschland
Weitere Informationen:
http://www.mpipsykl.mpg.de
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