Frühe Bildung fördert Chancengerechtigkeit
Das von der Bundesregierung in der Koalitionsvereinbarung beschlossene Betreuungsgeld setzt ein falsches Signal für sozial benachteiligte Familien. Die Auswertung einer Studie der Bertelsmann Stiftung mit Blick auf das Betreuungsgeld zeigt, dass gerade Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen oder Zuwandererfamilien besonders vom Besuch frühkindlicher Bildungseinrichtungen profitieren. Internationale Erfahrungen belegen aber, dass die Zahlung eines Betreuungsgeldes oft dazu führt, dass Kinder aus diesen Familien zu Hause bleiben.
Der Besuch einer Kinderkrippe für Kinder unter drei Jahren hat einen deutlichen Einfluss auf die Bildungsbiographie, wie die Untersuchung der Bertelsmann Stiftung belegt. Die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, erhöht sich demnach erheblich, wenn Kinder in eine Kinderkrippe gegangen sind. Besonders stark ist der Effekt für benachteiligte Kinder. Die vom „Schweizer Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien“ (BASS) erstellte Studie untersucht die Bedeutung früher Bildung für den weiteren Bildungsweg von Kindern. Ausgangspunkt ist dabei die Frage, welchen Effekt der Krippenbesuch auf den Übergang von der Grundschule auf eine weiterführende Schule in der Sekundarstufe I (Hauptschule, Realschule oder Gymnasium) hat.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass frühe Bildungsangebote gerade für sozial benachteiligte Kinder enorme Chancen im Bildungssystem eröffnen können: Durch den Besuch einer Kinderkrippe erhöht sich demnach die Wahrscheinlichkeit, das Gymnasium zu besuchen, um insgesamt fast 40 Prozent, bei Kindern aus Zuwandererfamilien sogar um 55 Prozent. Am stärksten profitieren Kinder, deren Eltern höchstens einen Hauptschulabschluss haben: Ihre Chance, ein Gymnasium zu besuchen, verdoppelt sich annähernd, wenn sie in ihren ersten Lebensjahren eine Krippe besucht haben.
Zugleich belegen Studien aus Norwegen, dass das Erziehungsgeld dort vor allem von Müttern mit niedrigem Bildungsniveau und geringem Einkommen und von Familien mit Migrationshintergrund in Anspruch genommen wird. In Norwegen wurde 1998 ein Betreuungsgeld eingeführt. Für Deutschland plant die Bundesregierung, ab 2013 monatlich 150 Euro an Familien zu zahlen, die ihre Kinder nicht in eine Kindertageseinrichtung schicken.
„Die Ergebnisse zeigen, dass das geplante Betreuungsgeld die falschen politischen Weichen stellt“, sagt Dr. Jörg Dräger, für Bildung zuständiges Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Es schaffe gerade für sozial schwache Familien den Anreiz, ihre Kinder nicht in die Krippe zu bringen. „Bildungspolitisch ist das ein Schildbürgerstreich“, so Dräger. Zugleich moniert er die hohen Kosten des Betreuungsgeldes, die auf jährlich 1,2 Milliarden Euro geschätzt werden: „Hier wird Geld mit der Gießkanne an die Elternhäuser verteilt, das für einen ziel- und bedarfsgerechten Ausbau von Kindertageseinrichtungen und die Verbesserung der Qualität dringend benötigt wird.“ Die Studie belege, dass die Verbesserung des Krippenangebots auf dem Weg zu einem chancengerechten Bildungssystem „ein wichtiger und wirksamer Schritt wäre“.
Grundlage der Studie sind Daten des Sozioökonomischen Panels über die Geburtsjahrgänge der von 1990 bis 1995 in Deutschland geborenen Kinder.
Rückfragen an: Anette Stein, Telefon 0 52 41 / 81 81 274; E-Mail: anette.stein@bertelsmann-stiftung.de
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