BfN veröffentlicht ökonomische Studie zum naturnahen Hochwasserschutz

Die jüngsten Hochwasser an Neiße und Spree zeigen, dass Hochwasserschutzmaßnahmen weiter ein Thema bleiben werden. Wie sich solch teure Maßnahmen, so gestalten lassen, dass Mensch und Natur optimal profitieren, zeigt eine gerade veröffentlichte Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).

Wissenschaftler der TU Berlin konnten nachweisen, dass der Nutzen naturverträglicher Hochwasserschutzmaßnahmen die Kosten um den Faktor 3:1 überwiegt. Naturverträgliche Hochwasserschutzmaßnahmen in Form von Deichrückverlegungen und Auenrenaturierungen rechnen sich damit auch volkswirtschaftlich: „Was für die Natur gut ist, zahlt sich so auch für die Bevölkerung aus“, kommentierte Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) das Ergebnis der Studie, die das Bundesamt in Auftrag gab.

Bei traditionellen Kosten-Nutzen-Analysen schneiden Hochwasserschutzmaßnahmen, die auch dem Naturschutz zugute kommen, vergleichsweise schlecht ab, denn die Analysen betrachten nur die Hochwasser senkende Wirkung. Mit der vorliegenden Studie wurde eine Methodik erarbeitet, die auch die Wirkung der Auen als Lebensraum für Pflanzen und Tiere, als Erholungsraum für die Menschen und als Filter für Schadstoffe und damit zusätzlich den ökonomischen Nutzen von verschiedenen Ökosystemfunktionen quantitativ erfasst.

Ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 3:1 bedeutet, dass der monetäre Wert des ökologischen und ökonomischen Nutzens der Maßnahmen dreimal so hoch ist wie ihre Kosten.

In Anbetracht des zunehmenden Risikos von Schäden durch Überschwemmungen und des hohen Verlustes aktiver Auen in den vergangenen Jahrzehnten, stellt sich immer wieder die Frage, welche Hochwasserschutzmaßnahmen sinnvoll sind. Das Spektrum reicht von technisch geprägten Maßnahmen wie Deichbau und -sanierung bis hin zu Naturschutz fördernden Projekten wie Deichrückverlegungen, der Wiedergewinnung natürlicher Überschwemmungsflächen und einer Revitalisierung von Auen. Die Studie macht dabei deutlich, dass multifunktional ansetzende Maßnahmen, die neben dem Hochwasserschutz anderen Ökosystemfunktionen mit zugute kommen, auch volkswirtschaftlich gesehen einen höheren Nutzen bringen.

„Das Bundesamt für Naturschutz liefert mit der Studie ein Instrument, mit dem in Zukunft bei wasserbaulichen Entscheidungen auch die Ökosystemdienstleistungen quantifiziert berücksichtigt werden können“, sagte Beate Jessel. „Erweiterte Kosten-Nutzen-Analysen können bei Planungen, z. B. im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen als Entscheidungshilfe für nachhaltige Lösungen dienen und für neue Transparenz sorgen“, erläuterte die BfN-Präsidentin.

Hintergrundinformationen
Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie erarbeiteten die Wissenschaftler der TU Berlin das methodische Grundgerüst und wendeten dieses am Fallbeispiel Elbe an. Die Forscher wählten einen ökonomischen Ansatz, um das Nutzen-Kosten-Verhältnis naturverträglicher Maßnahmen an der Elbe einschätzen zu können. Ein Wert über 1 bescheinigt dabei einen volkswirtschaftlichen Mehrwert. Die umfangreichste der untersuchten Deichrückverlegungsvarianten, bei der rund 35.000 Hektar Überflutungsflächen an der Elbe zurück gewonnen werden, erreicht einen positiven Wert von 3,1. Ein solches Programm würde durchschnittliche jährliche Kosten von 18 Millionen Euro verursachen. Der ermittelte Nutzen beläuft sich auf das Dreifache und setzt sich unter anderem aus den vermiedenen Hochwasserschäden von im Durchschnitt 6 Millionen Euro pro Jahr und den eingesparten Kosten durch eine Verkürzung der zu unterhaltenden Deichlinie von 5 Millionen Euro pro Jahr zusammen. Hinzu kommen die Einsparungen für ansonsten an anderer Stelle erforderliche Maßnahmen zur Minderung der Nährstofffracht der Elbe (z. B. durch Nutzungseinschränkungen in der Landwirtschaft oder Steigerung der Reinigungsleistung von Kläranlagen), die zur Erreichung der festgelegten Ziele der Wasserrahmenrichtlinie erforderlich sind, in Höhe von 16 Millionen Euro pro Jahr. Ferner berücksichtigten die Forscher die Wertschätzung der Bevölkerung für den Erhalt von natürlichen Auenlandschaften, die mittels der Zahlungsbereitschaft erfasst wurde, mit einem jährlichen Wert von 30 Millionen Euro.

Die Resultate der Kosten-Nutzen-Analyse zeigen deutlich: Betrachtet man nur die Hochwasserschutzwirkung würden naturverträgliche Deichrückverlegungen ein negatives Nutzen-Kosten-Verhältnis aufweisen. Berücksichtigen Entscheidungsträger auch den zusätzlichen Nutzen, der sich aus der Naturschutz- und Gewässerschutzwirkung von Deichrückverlegungen ergibt, ist mit einem positiven Nutzen-Kosten-Verhältnis zu rechnen. Deichrückverlegungen sind dann nicht nur naturschutzfachlich, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Es ist davon auszugehen, dass eine begrenzte Zahl technischer Schutzmaßnahmen mit starker Hochwasserschutzwirkung an ausgewählten Stellen kombiniert mit großflächigen Auenreaktivierungen mit ihren vielfältigen ökologischen Vorteilen zu einem besonders wirkungsvollen und ökonomisch effizienten Schutzprogramm führen. Mit der Wiederherstellung von naturnahen Auen kann somit in Deutschland ein effizienter Beitrag zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt geleistet werden. (Weitere Informationen zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt abrufbar unter http://www.bfn.de/0304_biodivstrategie.html).

Mit der Studie verdeutlicht das BfN in einem konkreten Anwendungsfall den ökonomischen Wert von Naturschutz. Das Untersuchungsergebnis unterstreicht dabei auch die zentrale Aussage des TEEB-Berichtes (The Economics of Ecosystems and Biodiversity), dass sich Naturschutz volkswirtschaftlich lohnt. Das internationale Forschungsprojekt ermittelte, dass die Schutzgebiete der Erde jährlich Ökosystemdienstleistungen im Wert von 4,4 – 5,2 Bio. USD erbringen, wohingegen jährlich nur Investitionen in Höhe von etwa 45 Mrd. USD für den Erhalt der Ökosysteme notwendig wären. Der Forderung des TEEB-Berichtes, dass Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen in Zukunft deshalb bei allen relevanten Entscheidungen systematisch in Kosten-Nutzen-Analysen einbezogen werden müssen, kommt das BfN mit der Studie „Ökonomische Bewertung naturverträglicher Hochwasservorsorge an der Elbe und ihren Nebenflüssen“ entgegen. (Weitere Informationen zu TEEB abrufbar unter www.teebweb.org)

Bezugshinweis: Die Studie ist erschienen im Landwirtschaftsverlag in der BfN Schriftenreihe unter dem Titel „Ökonomische Bewertung naturverträglicher Hochwasservorsorge an der Elbe“. Naturschutz und Biologische Vielfalt Heft 89.
Bezug über:
BfN-Schriftenvertrieb im Landwirtschaftsverlag
48084 Münster oder im Internet:
ISBN 978-3-7843-3989-4
Hinweis:
Die UNO hat 2010 zum Internationalen Jahr der Biodiversität erklärt. Weitere Information unter www.wandertag.biologischevielfalt.de

Media Contact

Franz August Emde idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer