Qualitätssicherung von Präventionsprogrammen hat international große Defizite – Neue Studie von Gesundheitsökonomen der Uni Köln

Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Instituts für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie (IGKE) an der Universität zu Köln. „Die allermeisten Ressourcen werden derzeit ohne Nachweis von qualitätsgesicherten Effekten ausgegeben“, resümieren die Forscher um Prof. Dr. Karl Lauterbach und PD Dr. Markus Lüngen in einer neuen Studie, die von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde.

Die Kölner Gesundheitsökonomen werteten anhand eines umfassenden Kriterienkatalogs rund 120 Evaluations-Studien aus, die wiederum Präventionsprogramme aus 13 Staaten bewerteten. Die IGKE-Untersuchung bezieht Studien aus den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, den nordischen Ländern, Österreich und der Schweiz ein. Ihre Fragestellung: Lassen sich im Ausland Präventions-Konzepte identifizieren, die einer systematischen, methodisch anspruchsvollen wissenschaftlichen Prüfung unterzogen wurden und sich in dieser Evaluation als wirkungsvoll erwiesen? Angesichts von mehreren tausend Präventionsprogrammen konzentrierten sich die Forscher dazu exemplarisch auf vier Themen: Bewegungsprogramme im Betrieb und speziell für Mädchen und Frauen; Depressions-Prävention in der Schule; gute Ernährung für Schüler sowie Raucherentwöhnung bei Schwangeren.

Der Blick in die internationale Forschung ist aus Sicht der Wissenschaftler zwingend: Die Bundesregierung hat angekündigt, bis 2009 ein Präventionsgesetz vorzulegen. Gleichzeitig ist die systematische Evaluation von Präventionsprogrammen in Deutschland noch wenig entwickelt. Doch auch in den untersuchten Ländern ist eine konsequente wissenschaftsgestützte Qualitätskontrolle bei der Prävention eher selten, attestieren die Forscher. Lediglich Finnland ist in der Systematik schon weiter.

Keine einzige der untersuchten ausländischen Maßnahmen schaffte es, als „in hohem Maße empfehlenswert“ eingestuft zu werden. Bei einem Teil lag das daran, dass sich die jeweilige Vorbeuge-Intervention in methodisch anspruchsvollen Checks nur als eingeschränkt effektiv erwies oder gar durchfiel. Ein Beispiel dafür sind betriebliche Kampagnen zur Bewegungsförderung, bei denen Beschäftigte mit Plakaten zum Treppensteigen animiert werden. Aussagekräftige Studien belegen eindeutig, dass solche Aktionen kaum Einfluss auf das Verhalten der Zielgruppe haben.

Häufiger ist Variante zwei: Die Qualität der Bewertungsstudien reichte nicht aus, um ein überzeugendes Urteil über die Wirksamkeit abzugeben. „Insgesamt ist die Zahl der Interventionen zwar extrem hoch, die Zahl der Evaluationen mit genügend hohem Qualitätsanspruch jedoch extrem klein“, resümieren die Forscher um Lauterbach. Prävention und Gesundheitsförderung lägen dadurch auch international um etwa 25 Jahre hinter der Entwicklung in der kurativen Medizin zurück, in der Methoden der Evidenzbasierung mittlerweile verbreitet sind.

Um das Wissensdefizit zu verkleinern, empfehlen die Gesundheitsökonomen für das geplante deutsche Präventionsgesetz einen pragmatischen Ansatz: Der Gesetzgeber solle auch neue, innovative Programme zur Prävention und Gesundheitsförderung zulassen. Zugleich müssten für alle öffentlich geförderten Aktivitäten methodisch hochwertige Evaluationen vorgeschrieben werden. Bei der Formulierung von Anforderungen könnte der Kriterienkatalog helfen, den die Kölner für ihre Studie erarbeitet haben. Schließlich raten die Forscher dazu, alle Präventionsprogramme zunächst zeitlich zu befristen. Grund: Da die empirische Studienlage derzeit nicht ausreiche, würden „absehbar auch nicht wirksame Interventionen durchgeführt.“

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