Gesellschaftsbilder halten sich erstaunlich lang in den Köpfen der Menschen

Studie untersuchte, wie die gesamtdeutsche Gesellschaft im Osten wahrgenommen wird

Was passiert in den Köpfen der Menschen, wenn ein politisches System kollabiert und durch ein neues ersetzt wird? Verändert sich dadurch die Wahrnehmung der Gesellschaft, in der sie leben? Diese oft gestellte und politisch brisante Frage wird in einer soziologischen Studie, die an der Technischen Universität Chemnitz von Sylvia Dietmaier-Jebara durchgeführt wurde, unter einem neuen Blickwinkel diskutiert und am Beispiel der Wende in Ostdeutschland empirisch untersucht. Die Basis stellen insgesamt 20 Intensivinterviews mit Betroffenen dar. Die Untersuchung ist nun unter dem Titel „Gesellschaftsbild und Lebensführung. Zur Stabilität gesellschaftspolitischer Ordnungsvorstellungen in Umbruchszeiten“ in den Buchläden erhältlich.

Eines der Hauptergebnisse lautet wie folgt: Der Systemwechsel allein verursacht noch keine Veränderung von Gesellschaftsbildern – im Gegenteil! So besitzt die Wahrnehmung einer Gesellschaft eine tiefliegende Grundstruktur bei jedem Menschen, die auch durch einen rasanten gesellschaftspolitischen Wandel nicht außer Kraft gesetzt wird. Erklären lässt sich die erstaunliche Stabilität von Gesellschaftsbildern durch ihre Entstehung im alltäglichen Handeln: Das, was die Menschen tagtäglich tun, spiegelt sich wider in ihren Deutungen der gesellschaftlichen Umwelt und ihren Erwartungen an die Gesellschaft – und Menschen neigen dazu, die Routinen in ihrem Alltag sehr stabil zu halten.

Neben der hohen Stabilität besitzen Gesellschaftsbilder ein weiteres wichtiges Merkmal: sie sind Indikator für die Akzeptanz der Gesellschaft insgesamt: Dabei wird deutlich, dass die Akzeptanz der neuen Ordnung nicht grundsätzlich dadurch beeinträchtigt wird, ob früher eine Systemloyalität zur DDR bestand oder eine moderne Lebensführung gepflegt wird. Das in der Reihe „Arbeit und Leben im Umbruch“ erschienene Buch von Sylvia Dietmaier-Jebara zeigt, welche gesellschaftlichen Gruppen in Ostdeutschland dem wiedervereinigten Deutschland positiv gegenüberstehen und welche Gruppen die neue Gesellschaft eher ablehnen: Positiv bewerten sie jene sozialen Gruppen, die ihre zu DDR-Zeiten etablierte Lebensführung auch nach der Wende weiter praktizieren können, etwa im Bereich des gesellschaftliches Engagements oder bei der Verwirklichung beruflicher Ziele. Eher negativ bewerten Menschen die neue Ordnung, die sich bereits zu DDR-Zeiten als „Bürger zweiter Klasse“ fühlten und sich früher wie heute in Nischen zurückziehen und solche, die zwar in den Arbeitsmarkt integriert sind und erneut Karriere gemacht haben, deren neue berufliche Position in Bezug auf soziale Sicherheit und Sozialprestige aber nicht mit der früheren vergleichbar ist.

Sylvia Dietmaier-Jebaras Werk ist der nunmehr siebte Band der Buchreihe „Arbeit und Leben im Umbruch“. Herausgeber ist Prof. Dr. G. Günter Voß, der an der TU Chemnitz die Professur Industrie- und Techniksoziologie innehat.

Media Contact

Alexander Friebel Technische Universität Chemnitz

Weitere Informationen:

http://www.tu-chemnitz.de

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