Spinpolarisierte Elektronen auf Bestellung

Auf der Spintronik ruhen viele Hoffnungen. Sie könnte in Zukunft die Elektronik ablösen, die im Rennen um immer schnellere Computerbauteile irgendwann an ihre Grenzen stoßen muss.

Anders als in der Elektronik, wo ganze Elektronen bewegt werden (die digitale „Eins“ bedeutet „auf dem Bauteil ist ein Elektron vorhanden“, die Null bedeutet „kein Elektron vorhanden“) geht es hier nur um die Manipulation einer bestimmten Eigenschaft der Elektronen, ihres Spins. Dafür benötigt man Bauteile, in die Elektronen einzeln hintereinander eingespeist werden können, und man muss den Spin der einzelnen Elektronen z.B. mit Hilfe von Magnetfeldern manipulieren können.

Beides ist mit einer Einzelelektronenpumpe möglich, wie Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) jetzt zusammen mit Kollegen aus Lettland gezeigt haben. Ihre Ergebnisse stellen sie in der aktuellen Ausgabe von Applied Physics Letters vor.

Elektronen können weit mehr, als nur für Stromfluss und digitale Informationen zuständig zu sein. Gelingt es, ihren Spin zu nutzen, dann könnten sich viele neue Möglichkeiten eröffnen. Der Spin ist ein innerer Drehsinn, eine quantenmechanische Eigenschaft, der sich durch eine Drehung um die eigene Achse veranschaulichen lässt. Ein Elektron kann links- oder rechtsherum drehen. Dies erzeugt ein magnetisches Moment. Man kann das Elektron als winzigen Magneten betrachten, bei dem entweder der magnetische Nord- oder Südpol „nach oben zeigt“ (Spin-Up oder Spin-Down-Zustand). Die Elektronenspins in einem Material bestimmen seine magnetischen Eigenschaften und sind durch ein äußeres Magnetfeld gezielt steuerbar.

Genau dies ist das Ziel der Spintronik (auch Spinelektronik genannt): einzelne Spins in nanometergroßen Halbleiterbauteilen gezielt zu kontrollieren und zu manipulieren, um sie so für die Informationsverarbeitung nutzbar zu machen. Das hätte gleich mehrere Vorteile: Die Bauteile würden deutlich schneller werden als solche, die auf dem Transport von Ladung beruhen. Außerdem würde der Vorgang weniger Energie benötigen als ein vergleichbarer Ladungstransport mit gleichem Informationsgehalt. Und mit Betrag und Richtung des Spinerwartungswertes kämen noch weitere Freiheitsgrade ins Spiel, die zusätzlich für die Informationsdarstellung genutzt werden könnten.

Um die Spins für die Informationsverarbeitung manipulieren zu können, muss man die Elektronen einzeln mit vorgegebener Spinausrichtung in ein Bauteil einspeisen. Dies ist Forschern der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig und der Universität von Lettland in Riga nun gelungen. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Applied Physics Letters stellen sie Untersuchungen einer sogenannten Einzelelektronenpumpe vor. Dieses Halbleiterbauteil gibt pro Arbeitstakt genau ein einzelnes Elektron aus. In den vorgestellten Messungen konnte erstmals gezeigt werden, dass eine solche Einzelelektronenpumpe auch in hohen Magnetfeldern zuverlässig betrieben werden kann. Ist ein ausreichend hohes Magnetfeld angelegt, wirft die Pumpe dann pro Taktzyklus genau ein einzelnes Elektron mit vorgegebener Spinausrichtung aus und liefert damit spinpolarisierte Elektronen quasi auf Bestellung. Durch das robuste Design und die hohe Taktfrequenz im Gigaherzbereich ist solch eine spinpolarisierte Einzelelektronenpumpe gerade auch für zukünftige Spintronik-Anwendungen interessant.

Originalartikel
Single-parameter quantized charge pumping in high magnetic fields
B. Kaestner, Ch. Leicht, V. Kashcheyevs, K. Pierz, U. Siegner, and H. W. Schumacher Applied Physics Letters, 94 012106 (2009).
Ansprechpartner
Bernd Kästner, PTB-Arbeitsgruppe 2.53 Niedrigdimensionale Elektronensysteme,
Tel. (0531) 592-2245, E-Mail: bernd.kaestner@ptb.de,
Hans Werner Schumacher, PTB-Arbeitsgruppe 2.53 Niedrigdimensionale Elektronensysteme,

Tel. (0531) 592-2245, E-Mail: hans.w.schumacher@ptb.de

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