Neue DFG-Forschergruppe Mikroplasmen an der RUB: Kleinste Plasmen unter extremen Bedingungen
Dieses physikalische Neuland betritt jetzt die neue Forschergruppe FOR1123, die experimentelle und theoretische Expertise aus dem Center for Plasma Science and Technology (CPST) der Ruhr-Universität Bochum mit den beteiligten Fakultäten für Physik und Astronomie sowie der Elektrotechnik und Informationstechnik bündelt. Die DFG fördert die Forschergruppe mit etwa zwei Millionen Euro für die nächsten drei Jahre.
Traditionelle Konzepte versagen
Mikroplasmen haben extreme Eigenschaften – die Leistungsdichten, die Elektronendichten und die elektrischen Felder nahe den Oberflächen sind um Größenordnungen höher als bei herkömmlichen Niederdruck-Prozessplasmen. Dank ihrer kleinen Abmessungen im Bereich von einigen 100 Mikrometern ist die Plasma-Oberflächen-Wechselwirkung sehr intensiv und es herrscht eine enge Kopplung zwischen Plasma und angrenzendem Festkörper. Traditionelle Konzepte der Plasmaphysik wie Quasineutralitiät, Trennung von Randschicht und Plasmavolumen oder Zündkriterien versagen bei der Beschreibung von Mikroplasmen.
Mikroplasmen besser verstehen
Zentrales Ziel der Forschergruppe FOR 1123 „Physics of Microplasmas“ ist es, durch systematische Untersuchungen von Mikroplasmen deren Dynamik und universelle Eigenschaften besser zu verstehen. Dies umfasst die Erforschung des Verlauf der Zündung bis zur vollen Ausbildung des Plasmas, des zeit- und ortsabhängigen Transports von Energie, Strahlung und reaktiven Spezies sowie die Plasma-Oberflächen-Wechselwirkung.
Direkter Kontakt mit lebendem Gewebe
Neben der Faszination neuartiger Phänomene der Plasmaphysik besitzen Mikroplasmen ein enormes Potential für technische Anwendungen. Mittels Mikroplasmen lassen sich zwei Anforderungen erstmals verbinden: zum einen Prozesse bei Atmosphärendruck zu betreiben und zum anderen kalte Nichtgleichgewichtsplasmen zu erzeugen, deren chemische Prozesse sich sehr gezielt steuern lassen. Durch diese Kombination eröffnen sich neue Anwendungen wie die kontrollierte und lokale Materialsynthese, biomedizinische Verfahren, bei denen Plasmen direkt mit lebendem Gewebe in Kontakt treten oder neue, sehr effiziente Lichtquellen und Detektoren. Mikroplasmen als tragbare universelle Werkzeuge rücken damit in den Bereich des Möglichen.
Große Oberflächen gezielt behandeln
Die geringe Größe der Plasmen erlaubt beispielsweise auch ein direktes maskenloses Plasma-Ätzen von Oberflächen oder auch das strukturierte lokale Aufbringen von funktionalen Beschichtungen. Die Integration der Mikroplasmen in Roboter zur automatisierten Oberflächenstrukturierung ist leicht möglich. Hierzu sind Mikro-Plasmajets besonders gut geeignet. Die Integration vieler einzelner Mikroplasmaentladungen in Flächenquellen mit mehreren zehntausend Einzelelementen (arrays), die parallel oder adressiert angesteuert werden können, eröffnet weitere interessante Anwendungen für die Behandlung großer Oberflächen. Derartige arrays werden mit Mikrostrukturtechniken hergestellt.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Jörg Winter (Sprecher), Prof. Dr. Achim von Keudell (Co-Sprecher), Fakultät für Physik und Astronomie, Lehrstuhl für Experimentalphysik II, Tel. 0234/32-23680, E-Mail: Joerg.Winter@rub.de, Achim.vonKeudell@rub.de
Redaktion: Meike Drießen
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