Der heißeste Weiße Zwerg seiner Art

Deutsch-amerikanisches Forscherteam errechnet Temperatur von rund 200 000 Grad
Der Weiße Zwerg mit der nüchternen Bezeichnung KPD 0005+5106 ist mit einer Oberflächentemperatur von rund 200 000 Grad Celsius einer der heißesten bekannten Sterne.

Diese Entdeckung machten Prof. Klaus Werner und Dr. Thomas Rauch vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Astronomen Dr. Jeffrey Kruk von der Johns Hopkins University mit Hilfe des FUSE-Weltraumteleskops (Far-Ultraviolet Spectroscopic Explorer) der US-Weltraumbehörde NASA. Die Arbeitsgruppe veröffentlicht ihre Forschungsergebnisse heute in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics (Letters, 2008, Band 492-3, Seiten L43).

Der Weiße Zwerg KPD 0005+5106 ist so heiß, dass seine Photosphäre Emissionslinien im Ultraviolettspektrum zeigt, ein Phänomen, das bisher nicht bekannt war. Diese Emissionen stammen von extrem ionisiertem Kalzium (neunfach ionisiert, also Ca X), das die höchste Ionisationsstufe eines chemischen Elements darstellt, die jemals im Photosphärenspektrum eines Sterns gefunden wurde. Sterne mittlerer Masse, entsprechend ein bis acht Sonnenmassen, beenden ihr Leben nach der Erschöpfung ihres nuklearen Energievorrats als Weißer Zwerg, einem Objekt von der Größe der Erde. Während der Übergangsphase von einem kernfusionierenden Stern zum Weißen Zwerg wird der Stern sehr heiß. Viele solcher Objekte mit Oberflächentemperaturen um 100 000 Grad Celsius sind bekannt. Sternentwicklungstheorien sagen vorher, dass die Sterne viel heißer werden können. Allerdings ist die Chance sehr gering, sie in diesem heißen Stadium zu finden, da diese Phase relativ kurzlebig ist.

Seit seiner Entdeckung als lichtschwacher blauer Stern hat KPD 0005+5106 die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen. Die optischen Spektren, die mit bodengebundenen Teleskopen aufgenommen wurden, wiesen bereits darauf hin, dass dieser Weiße Zwerg sehr heiß ist. Weiterhin gehört er einer besonderen Klasse seltener Weißer Zwerge an, deren Atmosphären von Helium dominiert werden. Eine genaue Auswertung dieser Spektren, kombiniert mit Beobachtungen im ultravioletten Bereich mit dem Hubble-Weltraumteleskop, führte zu dem Schluss, dass KPD 0005+5106 eine Temperatur von rund 120 000 Grad Celsius hat, die ihn zum heißesten Mitglied seiner Klasse machte. Allerdings erfuhr er diesbezüglich Konkurrenz durch ähnlich heiße Weiße Zwerge, die in der Himmelsdurchmusterung „Sloan Digital Sky Survey“ vor einigen Jahren gefunden wurden.

Das FUSE-Observatorium führte spektroskopische Beobachtungen im fernen Ultraviolettbereich durch, der dem Hubble-Teleskop unzugänglich ist. Während seiner Betriebsdauer (1999-2007) hat FUSE KPD 0005+5106 wiederholt beobachtet. Denn der Stern wurde als Kalibrationslichtquelle genutzt, um das Leistungsvermögen des Observatoriums zu überwachen. Das Astronomenteam Klaus Werner, Thomas Rauch und Jeffrey Kruk hat diese gesammelten Beobachtungen genutzt, um einen Datensatz mit außergewöhnlich hoher Qualität zu erstellen. Eine eingehende Untersuchung enthüllte die Anwesenheit zweier Emissionslinien von Kalzium. Eine genaue Modellierung der Sternatmosphäre bestätigte den photosphärischen Ursprung dieser Linien. Die Analyse beweist, dass die Temperatur 200 000 Grad Celsius betragen muss, um diese Emissionslinien überhaupt zu erzeugen.

Obwohl die Theorie die Existenz so heißer Weißer Zwerge vorhergesagt hat, stellt der Stern jedoch wegen seiner chemischen Zusammensetzung eine Herausforderung für die wissenschaftlichen Vorstellungen der Sternentwicklung dar. Die gemessene Kalziumhäufigkeit (ein- bis zehnfacher Wert dessen, was wir in der Sonne sehen) in Kombination mit der heliumreichen Natur seiner Atmosphäre stellt eine chemische Zusammensetzung dar, die von Sternentwicklungsmodellen nicht vorher gesagt wird.

Die leuchtschwächsten Sterne in dieser Aufnahme des Kugelsternhaufens M4 sind weiße Zwerge. Copyright NASA und H. Richer (University of British Columbia)

Nähere Informationen:

Die Publikation in „Astronomy & Astrophysics“
K. Werner, T. Rauch, und J. W. Kruk: Discovery of photospheric Ca X emission lines in the far-UV spectrum of the hottest known white dwarf (KPD 0005+5106). Astronomy & Astrophysics Letters, 2008, Band 492-3, Seiten L43. Elektronische Version der A & A Pressemitteilung und pdf-Dateien im Internet unter http://www.aanda.org.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Klaus Werner
Institut für Astronomie und Astrophysik
Kepler Center for Astro and Particle Physics
Universität Tübingen
72076 Tübingen
E-Mail werner@astro.uni-tuebingen.de
Tel. 0 70 71/2 97 86 01
Pressebüro von Astronomy & Astrophysics:
Dr. Jennifer Martin
Astronomy & Astrophysics
61, avenue de l'Observatoire
75014 Paris, France
E-Mail: aanda.paris@obspm.fr
Tel. +33 (0)1 43 29 05 41
EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit · Michael Seifert
Wilhelmstr. 5 · 72074 Tübingen
Tel.: 0 70 71 · 29 · 7 67 89 · Fax: 0 70 71 · 29 · 5566
E-Mail: presse1@verwaltung.uni-tuebingen.de

Media Contact

Michael Seifert idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-tuebingen.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer