Berner Computersimulation hilft, die Entstehung unseres Sonnensystems besser zu verstehen

Eine Momentaufnahme aus der 3D-Simulation: Die Kollision des Asteroiden Vesta mit einem rund zehnmal kleineren Asteroiden jagt gigantische Massen von Material hoch. Aus zwei solchen Einschlägen entstanden zwei sich überlappende Krater, die beinahe die gesamte südliche Hemisphäre von Vesta überspannen.<br><br>Bild: Martin Jutzi, CSH, Universität Bern / Pascal Coderay, EPFL.<br>

In einer riesigen staubigen Gaswolke ballten sich vor viereinhalb Milliarden Jahren Staubteilchen zu immer grösseren Klumpen zusammen. Diese kollidierten, aggregierten und wuchsen so zu Planeten heran. Zwischen den Planetenbahnen von Mars und Jupiter blieben jedoch hunderttausende kleinere Brocken zurück. Sie bilden seither den sogenannten Asteroidengürtel und haben ihre Zusammensetzung kaum verändert. Asteroiden bergen deshalb unschätzbare Informationen zur Entstehung unseres Sonnensystems.

Einem Asteroid namens Vesta gilt in der Forschung besondere Aufmerksamkeit: Mit seinen rund 500 Kilometern Durchmesser gehört er zu den drei grössten Asteroiden und wird als Protoplanet (Planetenvorläufer) betrachtet. Zudem ist er der einzige bekannte Asteroid, der eine erdähnliche Struktur aufweist – mit einem Kern, einem Mantel und einer Kruste.

Computersimulation rekonstruiert Kollisionen zwischen Asteroiden

Martin Jutzi vom Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern hat nun mit einer dreidimensionalen Computersimulation präzise rekonstruiert, wie Vesta vor über einer Milliarde Jahre zweimal mit anderen Asteroiden zusammenstiess. So zeigen die Modellierungen, dass der Protoplanet diesen Kollisionen seine elliptische Gestalt verdankt und dass sie auch seine Oberflächenstruktur gezeichnet haben.

Die Simulationen erlauben zudem erstmals detaillierte Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und Eigenschaften des Innenlebens von Vesta. Dies trägt dazu bei, die Entwicklungsgeschichte des Sonnensystems besser zu verstehen. Die Planetenbildung beruht nämlich massgeblich auf Kollisionen zwischen Himmelskörpern. «Unsere Methode ermöglicht besonders aufschlussreiche Auswertungen von Bild- und Messdaten aus Weltraummissionen», sagt Martin Jutzi. Die Studie, die in Zusammenarbeit mit Forschenden der EPFL sowie aus Frankreich und den USA entstand, wird heute von «Nature» als Titelstory präsentiert.

Modellierungen legen Verborgenes frei

Bisher hatten Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble erste Hinweise auf einen riesigen Krater am Südpol des Asteroiden Vesta geliefert. Dann startete 2007 die Sonde «Dawn» der NASA ihre Weltraum- und Zeitreise in die Vergangenheit des Sonnensystems. Ab Sommer 2011 kreiste sie ein Jahr lang auf einer nahen Umlaufbahn um Vesta. Bilder im visuellen Bereich sowie weitere Messdaten lieferten Informationen über die Topografie des Asteroiden sowie über die Zusammensetzung der Mineralien, die an seiner Oberfläche sichtbar sind. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die von Hubble beobachtete Vertiefung am Südpol aus zwei teilweise überlappenden Kratern besteht.

Von diesen Informationen ausgehend, zeigen nun die Computersimulationen von Jutzis Team, wie zwei nacheinander erfolgte Einschläge von Himmelskörpern genau zur Bildung der beobachteten überlappenden Kratern führten. Diese überspannen beinahe die ganze südliche Hemisphäre von Vesta. Die Modellierungen zeigen Grösse (66 und 64 Kilometer Durchmesser), Geschwindigkeit (5.4 Kilometer pro Sekunde) und Einschlagwinkel der Körper, die mit Vesta kollidierten. Dies verrät viel über die Art der Objekte, die sich vor einer Milliarde Jahre in der Nähe des Protoplaneten befanden.

Form und Topographie von Vestas südlicher Hemisphäre stimmen zwischen den Schlussbildern der Simulationen und den Bild- und Messdaten der «Dawn»-Mission sehr gut überein. Die Modelle reproduzieren sogar genauestens die spiralförmigen Strukturen im Inneren des jüngsten Kraters, die auf Bildern der «Dawn»-Mission sichtbar sind. «Dies zeigt wie zuverlässig unsere Methode ist», freut sich Jutzi.

Die Forschenden gehen davon aus, dass die Modelle auch Informationen über bisher verborgene Eigenschaften von Vesta liefern. So verraten die Simulationen zum Beispiel, dass das von den Einschlägen ausgeworfene Material aus Tiefen von bis zu 100 Kilometern stammt. «Wir können anhand der Verteilung und Art dieses Materials die verschiedenen inneren Schichten, aus denen Vesta zusammengesetzt ist, präzise rekonstruieren», erläutert Philippe Gillet, Direktor des Earth and Planetary Science Laboratory der EPFL.

«Dass wir nun auch in das Innere solcher Planetenvorläufer blicken können, ermöglicht ganz neue Perspektiven bei der Erforschung der Geschichte unseres Sonnensystems», sagt Jutzi.

Angaben zur Studie:
M. Jutzi, E. Asphaug, P. Gillet, J.-A. Barrat, W. Benz: The structure of the asteroid 4 Vesta as revealed by models of planet-scale collisions, Nature, 14. Februar 2013, in print.

Media Contact

Nathalie Matter Universität Bern

Weitere Informationen:

http://www.unibe.ch

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