Wissenschaftler des HZI entdecken die Ursachen der rheumatischen Herzkrankheit

Weltweit erkranken etwa 15 Millionen Kinder jährlich an der rheumatischen Herzkrankheit; eine halbe Million stirbt daran.

Am Anfang der Krankheitsgeschichte dieser Kinder steht eine einfache Halsinfektion mit Streptokokken – kugelförmigen Bakterien, die für ganz unterschiedliche Infekte verantwortlich sein können.

Aber nur ganz bestimmte Streptokokken-Typen lösen eine ganze Kette von Reaktionen im Köper aus, die letztlich zur lebensbedrohlichen rheumatischen Herzkrankheit führen. Diese Bakterien tragen eine spezielle Proteinsequenz, das so genannte PARF-Motiv, auf ihrer Oberfläche. In der renommierten Fachzeitschrift „PLoS ONE“ zeigen Singh Chhatwal und sein Mitarbeiter Patric Nitsche-Schmitz vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, welche Rolle PARF bei der Entstehung der rheumatischen Herzkrankheit spielt. Mit diesem Wissen entwickeln sie ein Testsystem, mit dem sich diese Krankheit frühzeitig erkennen und dann auch behandeln lässt.

„PARF heißt ‚Peptid assoziiert mit rheumatischem Fieber’“, erklärt Nitsche-Schmitz. „Es ist ein kleiner Abschnitt aus dem Protein auf der Streptokokkenoberfläche, mit dem Streptokokken sich an unsere Zellen heften und uns krank machen.“ Besonders häufig entwickelt sich bei Kindern in Indien, Australien und Afrika aus den harmlosen Halsschmerzen rheumatisches Fieber. Der Grund: nicht ausreichende medizinische Behandlung. Bekommen nämlich Kinder, die eine Streptokokken-Infektion im Hals haben, keine oder nicht ausreichend Antibiotika, heften sich die überlebenden Bakterien, die die PARF-Sequenz auf ihrer Oberfläche tragen, an das körpereigene Kollagen. Kollagen ist im Körper allgegenwärtig – es gibt als Grundsubstanz in Knochen und Knorpel unserem Körper Form und Halt und stärkt durch seine hohe Zugfestigkeit das Bindegewebe in der Haut, den Herzklappen und den Blutgefäßen. Heften sich nun die PARF-tragenden Streptokokken an das Kollagen, führt das unser Immunsystem in die Irre und unsere körpereigene Abwehr richtet sich nicht nur gegen die Bakterien, sondern auch gegen gesundes und lebensnotwendiges Kollagen. Die Autoimmunerkrankung rheumatisches Fieber bricht aus. Wird auch diese nicht vollständig behandelt, folgt die rheumatische Herzkrankheit: Die besonders kollagenreichen Herzklappen entzünden sich und versagen den Dienst.

Insgesamt haben aber nur etwa fünf Prozent aller Halsinfektionen mit den kugelförmigen Bakterien eine Autoimmunerkrankung zur Folge. Um diese fünf Prozent herausfiltern und frühzeitig behandeln zu können, entwickeln die Braunschweiger Infektionsforscher einen einfachen Teststreifen, der auf das PARF-Motiv reagiert. „Wir hoffen, dass wir damit bald ein Testsystem in Händen haben, mit dem die Kinder routinemäßig untersucht werden können“, schließt Singh Chhatwal: „Das würde vielen Kindern das Leben retten.“

Literatur: Dinkla K, Talay SR, Mörgelin M, Graham RMA, Rohde M, et al. 2009 Crucial Role of the CB3-Region of Collagen IV in PARF-Induced Acute Rheumatic Fever. PLoS ONE 4(3): e4666. doi:10.1371/journal.pone.0004666

Media Contact

Hannes Schlender Helmholtz-Zentrum

Weitere Informationen:

http://www.helmholtz-hzi.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer