Weltweit gültige „Rettungsbibel“ nimmt erstmals Lawinenkapitel auf

„Server überlastet“ hieß es heute frühmorgens auf sämtlichen Internetseiten von Erste-Hilfe-Vereinigungen. Grund für die vielen Zugriffe: Die neuen Richtlinien, welche der Internationale Dachverband der Vereine zur Wiederbelebung (ILCOR) alle fünf Jahre herausgibt.

Sie gelten weltweit für alle Ersthelfer. Erstmals gibt es in der „Rettungsbibel“ auch ein Kapitel zu Lawinenopfern. Es geht auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Südtiroler Arztes Hermann Brugger zurück, der das weltweit einzige Forschungsinstitut für Alpine Notfallmedizin an der Europäischen Akademie in Bozen leitet.

„Wir konnten wieder Einiges weiterbringen“, sagt Hermann Brugger und setzt sich in den Bürostuhl, der auch ein Jahr nach der Eröffnung des Instituts für Alpine Notfallmedizin an der Europäischen Akademie in Bozen (EURAC) nur wenige Gebrauchsspuren aufweist. Als begeisterter Bergsportler, Bergrettungsarzt beim Alpenverein Südtirol, Hausarzt in seinem Heimatort Bruneck, Dozent an der Universität Innsbruck und nicht zuletzt in seiner Funktion als Institutsleiter ist Brugger viel unterwegs.

Gerade kommt er von der Jahrestagung der Internationalen Kommission für alpines Rettungswesen (IKAR) aus der Slowakei zurück. Dort wurde das EURAC-Institut für Alpine Notfallmedizin prompt zum offiziellen Mitglied der IKAR erklärt und mit der Aufgabe betraut, künftig die wissenschaftlichen Grundlagen im alpinmedizinischen Bereich für die internationalen Bergrettungsrichtlinien zu liefern.

Zu den Schwerpunkten Bruggers zählt die Erforschung von Kältetraumen sowie die Bergung und Behandlung von Lawinenverschütteten. In einer Pionierstudie bearbeitete er mit seinem kanadischen Kollegen Jeff Boyd die gesamte internationale Forschungsliteratur zur Lawinenmedizin seit den 1970er Jahren. Sie überprüften über tausend Fachartikel systematisch auf Faktoren hin, die für das Überleben unter einer Lawine eine Rolle spielen. Die Ergebnisse dieser Studie dienten als wissenschaftliche Grundlage für das Kapitel zur Wiederbelebung bei Lawinenunfällen, das nun erstmals in die Richtlinien des Internationalen Dachverbands der Vereine zur Wiederbelebung (ILCOR) aufgenommen wurde.

Gesammelt in einem rund 230 Seiten starken Handbuch, sind die ILCOR-Richtlinien praktische Richtlinien zur Wiederbelebung, die auf international einheitlichen Empfehlungen, einem breiten Konsens sowie auf einer ausführlichen wissenschaftlichen Analyse begründet sind. Alle fünf Jahre werden die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse mit eingearbeitet, in konkrete Handlungsanweisungen umgesetzt und neu herausgegeben. Verbindlich sind die Anleitungen für alle Ärzte, Rettungsdienste, Erste-Hilfe-Ausbilder sowie auch Ersthelfer ohne medizinische Fachausbildung.

Die Aufnahme neuer Kapitel unterliegt strengsten Auswahlkriterien. „In einer Internet-Telefonkonferenz am 5. Januar 2009 haben uns 40 Experten der ILCOR aus allen Teilen der Welt ins Kreuzfeuer genommen, Unklarheiten hinterfragt und die Ergebnisse der Studie auf Herz und Nieren geprüft“, erinnert sich Brugger. Daraufhin wurden die Forschungsergebnisse schließlich angenommen und standen im Anschluss daran für ein Jahr lang offen zugänglich und kommentierbar im Internet, bevor sie schlussendlich in die aktuellen ILCOR-Richtlinien aufgenommen wurden.

Gemeinsam mit dem Südtiroler Peter Paal, Dozent an der Universitätsklinik Innsbruck, überarbeitete Brugger in einem weiteren Schritt das gesamte ILCOR-Kapitel zur Unterkühlung (Hypothermie) und passte es dem letzten wissenschaftlichen Stand an.

Media Contact

Laura Defranceschi idw

Weitere Informationen:

http://www.cprguidelines.eu/2010

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