Entscheidung in der Notaufnahme: Knochenbrüche optimal versorgen

Würden Sie derzeit schwerverletzt und mit Oberschenkelbruch in die Notaufnahme eines Krankenhauses eingeliefert werden, könnten Sie im Zweifel für reichlich Diskussionsstoff unter den behandelnden Ärzten sorgen. Soll der Bruch zunächst nur stabilisiert oder gleich endgültig versorgt werden? Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. med. Dieter Rixen vom Lehrstuhl für Unfallchirurgie an der Universität Witten/Herdecke versucht herauszufinden, wann welche Strategie für das Überleben und die Lebensqualität des Patienten günstiger ist. Dabei geht es auch um die Effizienz in der Schwerverletztenversorgung, denn Röhrenknochenbrüche tauchen bei etwa 50 Prozent der mehrfach verletzten Patienten auf.

Bei einem Schaftbruch des Oberschenkels ohne weitere Verletzungen ist das Einsetzen eines so genannten Marknagels heute weltweit unumstrittener Standard. Dabei wird ein langer Nagel so in den Oberschenkel eingesetzt, dass die Bruchstelle durch den Nagel überbrückt und wieder zusammengeführt wird. „Mit einem einzigen Eingriff kann so die rasche Wiederherstellung der Funktions- und Belastungsfähigkeit des Beines garantiert werden“, erklärt Professor Rixen. Bei Schwerverletzten hingegen wird in vielen Kliniken derzeit zunächst eine provisorische äußerliche Stabilisierung des Bruches vorgenommen. Dieses Verfahren wird Damage-Control genannt. Hierbei wird dem Patienten die zusätzliche Belastung einer schweren Knochenbruch-Operation mit Setzen eines Marknagels zunächst genommen. Die Überlebenschancen des Patienten sollen hierdurch verbessert werden.

„Die Frage ist nun, von welcher Strategie welcher Patient profitiert“, sagt Rixen. Dazu gibt es unter den Unfallchirurgen in Deutschland und weltweit derzeit unterschiedliche Auffassungen. „Damage Control dient der initialen Schadensbegrenzung“, erklärt Professor Rixen. Dies geschieht über einen so genannten 'Fixateur externe', der den Bruch äußerlich über spezielle Schrauben, die durch die Haut direkt mit dem Knochen verbunden sind, schient. Durch diese vorläufige, weniger belastende Fixierung, muss der Patient, sobald er sich erholt hat, jedoch noch einmal operiert werden. Bei diesem zweiten Eingriff wird der Bruch dann mit einem Marknagel versorgt. Dies birgt nicht nur zusätzliche Belastungen, sondern im Zweifel auch doppelte Kosten. „Nur weil es gerade 'en vogue' ist, bei jedem Patienten einen Fixateur zu verwenden, muss dies nicht das bessere Verfahren sein“, sagt Rixen. Im Zweifel könnte einigen schwerverletzten Patienten eine zweite Operation erspart bleiben. „Wir möchten mit der Studie einen Beitrag leisten, wann Damage Control wirklich nötig ist und wann nicht“, so Rixen.

An der Studie beteiligen sich zurzeit etwa 30 Traumazentren bundesweit. Aktuell konnten die ersten Patienten in die Studie eingeschlossen werden. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen insgesamt 140 Schwerverletzte die Studie durchlaufen. Untersuchungen wie diese sind beispielhaft für den neuen Schwerpunkt Versorgungsforschung an der Universität Witten/Herdecke. Die Optimierung gängiger Behandlungsmethoden, kann nicht nur zu deutlich verbesserten Therapieerfolgen führen, sondern auch Kosten im Gesundheitswesen sparen.

Weitere Informationen: Prof. Dr. med. Dieter Rixen,
Tel.: 0221 89073276; E-Mail: rixend@kliniken-koeln.de
Internet: http://www.damage-control-study.de/
Forschungsoffensive 2007
Mit der Forschungsoffensive bieten wir einen konzentrierten Einblick in die Vielfalt der Forschungsthemen, die derzeit an der Universität Witten/Herdecke bearbeitet werden. Dabei berichten wir nicht nur über laufende Projekte aus den Bereichen Medizin, Biologie und Wirtschaftswissenschaften. Neben interessanten Zwischenergebnissen stehen auch Forschungsarbeiten im Mittelpunkt, die bereits kurz vor ihrer Publikation stehen.

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Bernd Frye idw

Weitere Informationen:

http://www.damage-control-study.de/

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