Krebspatienten altersgerecht behandeln

Deutsche Krebshilfe fördert „Geriatrische Onkologie“

„Krebs im Alter“ ist der Themenschwerpunkt in der neuen Ausgabe der Zeitschrift „Deutsche Krebshilfe“ IV/2001. Denn: Immer mehr Menschen werden immer älter, und immer mehr ältere Menschen erkranken an Krebs. Die Behandlung einer Krebserkrankung ist langwierig und für den Betroffenen oft sehr anstrengend. Kann man eine solche Therapie einem älteren Tumorkranken noch zumuten? Und: will er sie überhaupt noch? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine interdisziplinäre Forschergruppe an der Universität Jena. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Projekt mit 3,7 Millionen Mark. Sie verspricht sich davon richtungweisende Erkenntnisse von großer klinischer, humanitärer und gesundheitspolitischer Bedeutung.

Herbert A. ist 82 Jahre alt, als sein Hausarzt ihm mitteilt, dass er Darmkrebs hat. Der Rentner, der sein Leben lang in einem kleinen Ort, 60 Kilometer von Jena entfernt, gelebt hat und nie ernsthaft krank war, ist verunsichert. Der Hausarzt versucht ihn zu beruhigen: „Im Universitätsklinikum Jena arbeiten Fachärzte mit neuesten Kenntnissen. Dort werden Sie sicherlich gut behandelt und bald geheilt. Ich werde direkt einen Termin für Sie vereinbaren“. Wie gelähmt geht Herbert A. nach Hause. Zwei Tage später ruft seine 55-jährige Tochter bei dem Arzt an, der die ganze Familie gut kennt: „Ist es wirklich nötig, dass mein Vater sich in der weit entfernten Klinik noch einer nebenwirkungsreichen Behandlung unterziehen muss, nach der es ihm möglicherweise schlechter geht als jetzt?“, fragt sie. Große Angst hat Herbert A. vor einem künstlichen Darmausgang: „Da verliere ich im hohen Alter noch meine Würde und muss Windeln tragen wie mein kleines Enkelkind“.

Der Hausarzt steht vor einem Problem, mit dem er in Deutschland nicht alleine ist. Viele Ärzte fragen sich: Nach welchen Kriterien soll ich entscheiden, ob und wie ich einen Tumorpatienten fortgeschrittenen Alters behandle? Manch ein 75-Jähriger ist rüstig, spielt jeden Tag Tennis und wünscht sich noch mindestens zehn Jahre zu leben. Ein anderer dagegen hat mit 70 bereits mehrere Herzinfarkte hinter sich, ist zuckerkrank und auf die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes angewiesen. Das kalendarische Alter nach Lebensjahren sollte daher nicht im Vordergrund stehen, wenn es um die Wahl der richtigen Behandlung einer Krebserkrankung geht. Welche Faktoren statt dessen wichtig sind und beachtet werden müssen, ist bislang jedoch noch nicht ausreichend geklärt.

Diese Situation wollen Wissenschaftler an der Universität Jena jetzt ändern. Unter der Leitung von Professor Dr. Klaus Höffken nehmen sie sich des lange vernachlässigten Themas „Krebs im Alter“ an. Sie haben ein so genanntes geriatrisch-onkologisches „Assessment“ etabliert, mit dem die Behandlungssituation des alten Patienten erfasst werden soll. Die Deutsche Krebshilfe fördert im Rahmen der Studie „Geriatrische Onkologie“ auch die Entwicklung dieses Tests. Im Mittelpunkt stehen die beiden Fragen: Was ist sinnvollerweise bei einem alten Patienten als Therapie durchführbar? Und: Was möchte der Patient, welches sind seine Ziele und Erwartungen? Erste Daten des Projektes liegen dem interdisziplinären Team aus Internisten, Pharmakologen, Psychiatern und Psychologen bereits vor und werden derzeit ausgewertet. Langfristig soll das von den Jenaer Wissenschaftlern entwickelte spezielle Behandlungskonzept an vielen anderen Orten Deutschlands realisiert werden. Höffken empfiehlt alten Krebspatienten jedoch schon jetzt, sich auf jeden Fall in einem onkologischen Zentrum oder einer spezialisierten Praxis behandeln zu lassen, denn individuelle Therapieentscheidungen sind bei ihnen oft schwieriger zu treffen als bei jüngeren Patienten.

Infokasten: Alterskrankheit Krebs

 

Experten schätzen, dass die Zahl der Krebserkrankungen bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent zunehmen wird. Diese Annahme stützt sich auf die in den nächsten 30 Jahren zu erwartende Altersverschiebung in der Bevölkerung: Zur Zeit sind etwa 15 Prozent der Menschen in Deutschland über 65 Jahre alt. Dieser Anteil wird im Jahr 2030 rund 20 bis 30 Prozent betragen. Statistisch gesehen erkranken von 100.000 Menschen unter 65 Jahren lediglich 200 an Krebs. Bei den über 65-Jährigen ist die Erkrankungshäufigkeit zehnfach höher. Bei den häufigsten Krebserkrankungen – Tumoren der Prostata, des Darms, der Lunge, der Bauchspeicheldrüse, des Magens und der Blase – beträgt der Anteil der über 65-Jährigen 60 bis 80 Prozent. Krebs ist also im Wesentlichen eine „Alterskrankheit“.

Ausführlicher berichten wir über das Thema in der Ausgabe IV/2001 unserer Zeitschrift „Deutsche Krebshilfe“, die kostenlos angefordert oder im Internet abgerufen werden kann. Im Internet erhalten Sie außerdem weitere Informationen über Förderprojekte und die Arbeit der Deutschen Krebshilfe.

Media Contact

Dr. med. Eva M. Kalbheim-Gapp idw

Weitere Informationen:

http://www.krebshilfe.de/

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