Diabetes-Medikamente gegen Alzheimer?

Medikamente, die gegen Diabetes oder Rheuma wirken, scheinen sich nach aktuellen Untersuchungen auch zum Einsatz gegen Alzheimer zu eignen. Wissenschaftler der Universität Bonn haben zusammen mit Kollegen aus Europa und den USA herausgefunden, warum das so ist. Ihre Ergebnisse könnten dazu beitragen, das Waffenarsenal gegen die gefürchtete Hirnerkrankung zu erweitern. Die Studie ist kürzlich im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erschienen.

Die Boxsport-Legende Gustav „Bubi“ Scholz litt in seinen letzten Lebensjahren an Alzheimer, der fünffache Weltmeister im Mittelgewicht Sugar Ray Robinson ebenfalls: Boxer tragen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Möglicherweise sind daran nicht die vielen kleinen Hirnverletzungen Schuld, die sich die Sportler im Laufe ihrer Karriere zuziehen – wenigstens nicht direkt: „Unsere Erkenntnisse stützen die Hypothese, dass Entzündungen des Hirngewebes die so genannte Boxer-Demenz auslösen“, erklärt die Bonner Neurowissenschaftlerin Dr. Magdalena Sastre.

Auf eine Verletzung reagiert der Körper oft mit einer lokalen Entzündung. Dabei werden bestimmte Botenstoffe ausgeschüttet, so genannte Cytokine. Geschieht das im Gehirn, setzt eine fatale Kettenreaktion ein, an deren Ende die Ablagerung des „Alzheimer-Proteins“ Aß in der Hirnrinde steht. Dabei gehen massenhaft Nervenzellen zu Grunde.

Ein zentrales Glied in dieser Kette scheint der so genannte PPAR-Rezeptor zu sein. Im Gehirn verstorbener Alzheimer-Patienten ist seine Menge um bis zu 40 Prozent reduziert, fanden die an der Studie beteiligten Forscher heraus. Der PPAR-Rezeptor verhindert im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren, dass die Hirnzellen die tödlichen Proteinhaufen bilden. „Die Cytokine scheinen die Produktion dieses PPAR-Rezeptors zu drosseln“, sagt Magdalena Sastre. „Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass Entzündungen im Gehirn die Entstehung von Alzheimer begünstigen.“

Entzündungshemmer durchbrechen den Teufelskreis

Nicht nur das: Entzündungen scheinen sogar einen fatalen Teufelskreis anzustoßen. Die Aß-Ablagerungen in der Hirnrinde rufen nämlich ihrerseits die so genannten Gliazellen auf den Plan. Diese Hirnzellen produzieren weitere Cytokine, so dass noch mehr Aß-Protein entsteht.

Bestimmte Medikamente können den Teufelskreis augenscheinlich durchbrechen: So bringen die so genannten „nichtsteroidalen“ Entzündungshemmer den Körper dazu, seine Cytokin-Produktion herunterzufahren. Dazu zählen beispielsweise das Schmerzmittel Ibuprofen, aber auch die Diabetis-Arznei Pioglitazone. Mit beiden Wirkstoffen behandelten die Wissenschaftler Mäuse, die an einer Art „Maus-Alzheimer“ litten – mit Erfolg: Im Gehirn der behandelten Tiere war die PPAR-Menge auf dass Dreifache erhöht. Außerdem produzierten die Mäuse-Hirnzellen deutlich weniger Aß-Protein. „Weltweit laufen momentan klinische Studien, die klären sollen, wieviel der Einsatz derartiger Arzneien bringt“, erklärt Magdalena Sastre.

Andere Arbeitsgruppen versuchen momentan einen Wirkstoff zu designen, der den PPAR-Rezeptor direkt stimuliert. „Es gibt da schon eine Reihe von sehr effektiven Kandidaten. Problematisch ist aber noch meist, dass sie nicht an den Ort des Geschehens gelangen, weil sie die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können“, dämpft die Wissenschaftlerin die Erwartungen. Die Schranke verhindert, dass mit dem Blut transportierte Substanzen unkontrolliert ins Gehirn gelangen und es möglicherweise schädigen.

Kontakt:
Dr. Magdalena Sastre
Neurologische Abteilung der Universität Bonn
Telefon: 0228/287-6395
E-Mail: magdalena.sastre@ukb.uni-bonn.de

Dr. Michael T. Heneka
E-mail: Heneka@uni-muenster.de

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Frank Luerweg idw

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