Neuer Therapieansatz gegen Krebs-Metastasen

Wachstumsfördernde Signale in Tumorumgebung ausschalten

Die Hauptgefahr eines bösartigen Tumors liegt in seiner Fähigkeit, Tochtergeschwülste zu bilden. Der Tumor ist dann nur noch schwer zu beherrschen – die Heilungschancen sinken rapide. Forscher aus Erlangen und München wollen jetzt genauer untersuchen, welche Mechanismen einen Tumor zur Metastasierung befähigen und wieso bestimmte Organe bevorzugt befallen werden. Das Ziel des Forschungsprojekts: eine spezifische Therapie zu entwickeln, welche die Metastasierung verhindert. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Forschungsprojekt mit rund 100.000 Euro.

Wie erlangen bösartige Tumoren die Fähigkeit in umliegendes Gewebe einzudringen und in bestimmten Organen Metastasen zu bilden? Um diese Fragen zu beantworten, verfolgen die Wissenschaftler einen neuen Ansatz: „Krebs beruht in erster Linie auf genetischen Fehlern in den Zellen. Unsere bisherigen Untersuchungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass auch im umliegenden gesunden Gewebe des Tumors Faktoren vorhanden sein müssen, die das Krebswachstum voran treiben und für die Bildung von Metastasen in bestimmten Organen mit verantwortlich sind“, erklärt der Projektleiter Professor Dr. Thomas Brabletz, Institut für Pathologie der Universität Erlangen-Nürnberg. Zusammen mit Professor Dr. Thomas Kirchner aus Erlangen und Privatdozentin Dr. Christiane Bruns, Chirurgische Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximillian-Universität München, will er am Beispiel des Darmkrebses solche Faktoren aufspüren.

Das Forscherteam hat bereits eine Substanzgruppe im Visier, durch die das Krebswachstum möglicherweise gefördert wird: die so genannten Zytokine. Diese natürlichen Botenstoffe werden von körpereigenen Zellen freigesetzt und übernehmen im gesunden Organismus vielfältige steuernde Funktionen. „Bei der Krebsentstehung könnte sich ihre positive Wirkung umdrehen: Sie werden zur treibenden Kraft für die Bildung von Metastasen“, erläutert Professor Brabletz. Damit würden sie viel versprechende Angriffspunkte für neue Therapien gegen Krebs darstellen.

„Die Zytokine regulieren im Tumor möglicherweise die Funktion eines Proteins, das bei der Ausbreitung von Darmkrebs eine Schlüsselrolle spielt“, so der Projektleiter. Dabei handelt es sich um das „b-Catenin“. Dieses Protein sitzt im gesundem Zustand an der Zellhülle und hält im Verbund mit anderen Molekülen als eine Art Kitt die Zellen zusammen. Dadurch verhindert es, dass die Zellen aus ihrem Verband ausbrechen. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich das b-Catenin während des Eindringens des Tumors in gesundes Gewebe und der Bildung von Metastasen nicht mehr in der Nähe der Zellwand befindet, sondern ins Zellinnere wandert. „Dieses Wanderungsverhalten des Proteins wird vermutlich von den Zytokinen aus der Tumorumgebung beeinflusst“, erklärt Professor Brabletz. „Mit fatalen Folgen: Denn im Zellinnern wird das b-Catenin von der Bremse zum Motor. Als Onkogen aktiviert es nun eine Reihe weiterer Gene, die das Krebswachstum fördern.“

Das Forscherteam will weiter aufklären, wie die Zytokine mit den Krebszellen und dem b-Catenin zusammen wirken. „Unser Ziel ist es, die Substanzen zu blockieren, welche das Wanderungsverhalten des b-Catenin beeinflussen, um so die Bildung von Metastasen deutlich zu verringern“, erläutert der Mediziner.

Metastasierung

Bei der Bildung von Metastasen lösen sich die Tumorzellen aus dem Zellverband des Primärtumors, dringen in benachbartes Gewebe ein und gelangen über die Blut- oder Lymphbahnen in entfernte Körperregionen. Dort können sie sich ansiedeln und Tochtergeschwülste, so genannte Metastasen, des ursprünglichen Tumors bilden. Bei etwa einem Viertel aller Patienten mit Darmkrebs haben sich zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Metastasen in anderen Organen gebildet. In 75 Prozent der Fälle treten diese Absiedlungen in der Leber auf. Als zweithäufigstes Organ ist die Lunge betroffen (15 Prozent). Seltener findet man Tochtergeschwülste in Nieren, Gehirn und Knochenmark. Auch bei anderen Tumorarten sind Organe bekannt, in denen mit größerer Wahrscheinlichkeit Metastasen auftreten als in anderen. So sind zum Beispiel beim Brustkrebs häufig in der Lunge oder in den Knochen Krebsabsiedlungen zu finden.

Media Contact

Dr. med. Eva M. Kalbheim idw

Weitere Informationen:

http://www.krebshilfe.de

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